Denken Mit Dem Bauch
chemischen Mitteln geimpft. Doch die Tiere blieben depressiv -
die Versuche brachten keine brauchbaren Ergebnisse. Ungar wusste jedoch, dass depressive Säuger, Ratten zum Beispiel, in gewisser Hinsicht noch lichtscheuer sind als ihre Artgenossen (aha… nicht nur depressive Menschen lieben das Dunkel!).
Aus irgendeiner unkonkreten Absicht heraus dressierte er nun gestresste Ratten darauf, ganz entgegen ihrer natürlichen
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Anlage, dem Licht entgegenzulaufe n. Vielleicht vermutete er, dass die so dressierten Licht-Ratten im Umkehrschluss (im Gegenversuch) vielleicht schneller depressiv würden, wenn man sie im Dunkel hielte. Er stieß bei seiner Dressurabsicht jedoch auf den vehementen Widerstand der Ratten. Denn keine
ordentliche Kanalratte (und eine gestresste schon gar nicht) würde freiwillig einer Lichtquelle entgegenlaufen sondern eher in das dunkelste Loch schlüpfen wollen. Prof. Ungar dressierte sie trotzdem. In der vierten Ratten-Generation gelang der Dressurakt endlich. Gestresste Ratten liefen tatsächlich einer Lichtquelle entgegen. Dabei entdeckte Ungar das Phänomen, dass die Lichtgier offenbar von Generation zu Generation vererbt worden war. Er sah sich das Ergebnis seiner Dressur an und konnte mit dem Ergebnis nichts Konkretes anfangen. Doch dann kam er - nach dem damaligen Stand der mikrobiologischen Forschung - auf eine ziemlich absurde Idee:
Ein paar »Licht-Ratten« der vierten Generation wurden
getötet und einige von deren Gehirnzellen, vermischt mit einer den körperlichen Abstoßungseffekt vermindernden
Trägersubstanz, ganz normalen, nicht trainierten Ratten gespritzt. Prof. Ungar staunte nicht schlecht: Die nicht trainierten Ratten rannten nach kurzer Zeit, nach weniger als zwei Tagen, ebenfalls auf jede Lichtquelle zu, ganz entgegen ihrem natürlichen Programm. Prof. Ungar stellte sich damals die Frage, wie es wohl kommt, dass dieser Eiweißstoff
»Soctophobin« offenbar einen Lerninhalt transportieren kann.
Dieser merkwürdige Versuch zeigte zum ersten Mal deutlich, dass eine einzelne Zelle offenbar ein ganzes Lernprogramm abspeichern kann.
Heute wissen wir, dass es gar kein Lerninhalt, kein
Lernprogramm war - es war lediglich eine einfache biochemische Information, die aus lichtscheuen Ratten lichtgeile Nager machte. Der Versuch des Prof. Ungar zeigte aber damals schon sehr deutlich: Irgendwo und irgendwie können alle
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lebenden Zellen biochemisch »denken« und Informationen abspeichern, die nicht ursächlich aus der Erbinformation stammen. Und die Zellen können das »Erdachte« auch
langfristig behalten und, wenn nötig, abrufen, anwenden und sogar an eine nächste Generation vererben.
Damit war zum ersten Mal bewiesen, dass eine
Zellinformation keine rein genetische Information ist, sondern so eine Art Mischmasch aus DNA-Information und einer
irgendwie von außen eingebrachten Information. Wie diese von außen kommende Information allerdings in die Zelle gelangt, dort an einem konkreten Ankerplatz abgelagert wird, um zu gegebener Zeit punktgenau eingesetzt zu werden, kollektiv und zeitgleich, von Milliarden von Zellen… dahinter steht ein großes Fragezeichen… oder eben der besagte Nobelpreis.
Was hat all dies nun mit dem Bauch und unserem Thema zu tun? Viel.
Intuition beginnt in der Körperzelle
Wie bereits erwähnt, wissen wir inzwischen, dass die
»Denkprozesse« des Bauches bestimmten, ziemlich klar
definierten und fest fixierten Programmen folgen, die genetisch in uns installiert sind (siehe Seite 28).
Diese genetischen Programme sind im Verlauf des
menschlichen Lebens annähernd unveränderbar, auch das wissen wir. Und wir wissen dank Prof. Ungar und den
Forschungen seiner Kollegen, dass neben den DNA-
Programminformationen auch andere Informationen in die Zellen gelangen können. Sie werden dort verarbeitet und abgespeichert, um zu gegebener Zeit ganz präzise im Sinne ihres Programms aktiv zu werden - oder aber sich nicht zu melden, wenn es keine Veranlassung dazu gibt. Werden die
Informationen irgendwann abgerufen, können die Zellen dann
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zum Beispiel ein Verhalten beeinflussen bzw. eine Intuition auslösen oder eine Intuition verändern.
Das bedeutet, dass die Kommunikation mit uns selbst (die Intuition, die aus dem Bauch kommt und unser Gehirn
beeinflusst) nicht nur den fixierten Programmen folgt, sondern auch auf eigene Informationen zurückgreifen kann, die jeweils in der Zelle als eine Art »biochemischer
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