Denken Mit Dem Bauch
vielleicht sogar dankbar sein, wenn der ihm die »Arbeit«
abnimmt und abdrückt… Ein solcher Mensch würde »richtig« in
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diesem Fall völlig anders definieren. Richtig wäre für ihn die Entscheidung, den Tod zu wählen.
Bei beiden Beispielen besteht zumindest eine ungefähre Vorstellung bezüglich der Funktion bzw. der Bedrohlichkeit einer Waffe. Wir werden aber feststellen, dass wir Menschen bei sehr vielen täglichen Entscheidungsprozessen überhaupt keine Kenntnis der tatsächlichen, kognitiv messbaren
Zusammenhänge haben, weder technisch noch sozial noch sonst wie. Und noch schlimmer: Wir sind oft nicht einmal in der Lage, die nötigen Informationen für eine kognitive Entscheidung zu beschaffen - selbst wenn wir das wollten.
Nehmen wir jedoch einmal an, es wäre möglich, die nötigen Informationen für eine »richtige« Entscheidung tatsächlich in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben. Doch das
bedeutet noch lange nicht, dass wir in der Lage wären, sie auch richtig zu interpretieren. Denn wenn wir die neuen, zur Verfügung stehenden Informationen mit unseren alten inneren Theorien verbasteln, kommt bei der Entscheidungsvorbereitung auch nichts Brauchbares heraus. Wir müssten zusätzlich noch in der Lage sein, die richtige Balance zwischen Akkommodation (Anpassung der Information an unseren bisherigen
Kenntnisstand) und Assimilation (Umsetzung der Information im Sinne einer Entscheidungsstrategie) zu finden.
Dass den allermeisten Menschen so viel theoretische
Entscheidungsvorbereitung erstens suspekt und zweitens zu aufwändig ist und wieder andere Menschen (gar nicht so wenige) das intellektuell gar nicht leisten können, führt dazu, dass wir rein kognitive Entscheidungen kaum treffen. Wie eingangs des Kapitels schon bemerkt: 90% aller Entscheidungen sind Bauchentscheidungen.
Dieses ganz normale, menschliche Phänomen der
Unfähigkeit, treffende, objektive und neutrale Informationen richtig zu beschaffen, richtig zu bewerten, richtig zu verarbeiten und im Sinne einer folgerichtigen Handlungsstrategie
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umzusetzen, macht es unserem Bauch so unheimlich einfach, bei dem Geschäft so richtig mitzumischen. Dem Bauch ist es nämlich ziemlich egal, über welchen Informationsstand der Dinge wir verfügen. Und ob wir die Informationen in die richtige Beziehung zueinander und zu unserem angestrebten Ziel setzen, ist dem Bauch ebenfalls völlig egal. Im Gegenteil je weniger wir von etwas tatsächlich wissen, umso frecher, oberflächlicher und schneller entscheidet der Bauch. Deshalb liegt er manchmal auch ziemlich »daneben« bei seinen
Entscheidungen.
Aber zunächst zurück zu unserem prinzipiellen
Entscheidungsverhalten. Folgerichtiges (logisches) Entscheidungsverhalten benötigt also zwei wesentliche
Voraussetzungen:
1.
Eine »echte« kognitive Entscheidung bedingt mindestens zwei aktive Möglichkeiten (Variablen), die wir
potenziell tatsächlich entscheiden könnten. Entweder wir tun das eine… oder wir tun das andere… Oder: Wir tun
gar nichts. Das wäre nicht etwa die dritte Möglichkeit, es wäre nur der passive Ersatz für eine der zwei aktiven
Möglichkeiten.
2.
Wir müssen umfassende Kenntnisse über die Dinge
haben, die da zu entscheiden sind. Besser noch: Wir
sollten sogar die Konseque nzen einer möglichen
Entscheidung kennen sonst wäre es keine kognitive
(logischfolgerichtige) Entscheidung.
Wie immer wir entscheiden, selbst wenn wir gar nichts tun, hat das Folgen. Das heißt, wir verhalten uns immer irgendwie gegenüber der Situation, die auf uns einwirkt. Bereits Paul Watzlawick, einer der bekanntesten amerikanischen
Psychologen, schrieb in seinem Buch über die Theorie der Entscheidungen 1979: »Niemand kann nicht entscheiden, was
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nicht etwa bedeutet, dass irgendjemand objektiv richtig entscheidet. Denn ›richtig‹ ist ein sehr elastischer, sehr subjektiver Begriff, der viel mit der ganz spezifischen
›Moralwelt‹ des Entscheiders zu tun hat.« Vergessen wir aber nicht, dass wir es nur bei 10% der täglichen Entscheidungen schaffen, kognitiv zu entscheiden: Erstens wegen mangelnder Information und zweitens, weil wir es gar nicht für nötig halten, über jeden unwichtigen Kram so lange nachzudenken. Dann wird eben mit dem Bauch entschieden. Daraus resultiert diese ungeheure Menge der schnell aufeina nder folgenden, bewussten oder unbewussten Bauchentscheidungen (90% von allen), die wir jeden Tag treffen müssen.
Menschliches
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