Denken Mit Dem Bauch
akzeptiert. Und keine Logik der Welt kann uns Menschen dazu bewegen, unseren intuitiven Verhaltens- und Entscheidungs-Programmen kognitiv (logisch, mit dem Kopf) zu
widersprechen. Einfach ausgedrückt: Der Kopf kommt
letztendlich gegen den Bauch nicht an. Der Kopf kann machen, was er will. Es wird ihm so ohne weiteres nicht gelingen, den listigen, eigensinnigen, schlauen Bauch in seine Schranken zu weisen.
Vielleicht ist das… nein, hundertprozentig… ist das der Grund, warum Ernest Hemingway vier Mal geheiratet hat und alle vier Ehen gingen absolut schief. Denn seine Programme verlangten nach »schief«.
Vielleicht ist das… nein… hundertprozentig… ist das der Grund, warum Menschen ein Leben lang den gleichen Fehler konsequent wiederholen. Wie zum Beispiel eine 44jährige Freundin von mir, hochintelligent, sensibel, gebildet und von Beruf Psychologin. Sie ist nun zum fünften Mal mit einem
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Mann zusammen, der säuft und prügelt. Mit zweien dieser Trinker war sie sogar verheiratet. Sie wird den fünften bald verlassen - um sich dann, früher oder später, einen neuen Säufer suchen. Den sechsten, hundertprozentig. Sie folgt ihrem Programm. Das Programm lautet im Groben: »Du musst einen Trinker haben… Du musst psychisch fertig gemacht sein… Du musst verlieren… Leid ist angenehm… Du brauchst das Leid, um wirklich seelisch entspannt zu sein.« Ich habe ihr einen guten Therapeuten empfohlen, wissend, dass auch der nicht viel ausrichten kann, wenn der Schreibschutz der Festplatte nur gut genug programmiert ist. Und in den genetischen Programmen wird so schnell nichts gelöscht oder neu beschrieben.
Von diesen Intuitionsprogrammen sind unsere Bauch-
Entscheidungen also abhängig. Ob das dem Kopf passt oder nicht, interessiert den Bauch nicht. Ob die Intuition logisch und moralisch richtig ist oder gar moralisch wertvoll, interessiert den Bauch ebenfalls nicht. Das Einzige, was ihn wirklich
interessiert, ist, dass der Eigentümer des Bauches (ich selbst nämlich) mitsamt der Intuition dem Programm folgt. Und dass der Eigentümer des Bauches subjektiv keinen Schaden erleidet, dass er überlebt.
Wie bitte? Zeigten die genannten Beispiele etwa nicht, wie sehr Frosch und Mensch Schaden erlitten? Wenn
»Schadensfreiheit« tatsächlich das Ziel der Intuition und der Programme ist, warum, zum Kuckuck, wirkt sich dann manche Bauchentscheidung so katastrophal für den Einzelnen aus?
Diese Frage ist so spannend, dass wir ihr ganz genau auf den Grund gehen werden, damit wir sehen, wie der Bauch
»Schadensfreiheit« eigentlich definiert. Mehr darüber im nächsten Kapitel.
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FAZIT
• Wir Menschen folgen in unseren Intuitionen genetisch bedingten Entscheidungsprogrammen.
• Diese Programme sind nicht logisch. Die Programme
müssen nicht moralisch sein, sie können aber moralisch sein.
• Unser intuitives Verhalten bei anstehenden Entscheidungen ist nicht frei, es ist eingegrenzt durch die Programme und durch unsere Lebenserfahrungen.
• Die Lebenserfahrungen wirken in unseren Programmen
schwächer als der jeweilige »Quellcode« der Programme. Das jeweilige Programm behält fast immer die Oberhand und kann nur mit allergrößtem Aufwand verändert werden.
• Die Definition von Intuition im neuropsychologischen Sinne ist Welten von der philosophischen Definition entfernt.
• Das bedeutet nicht, dass die Definition der Natur-
Wissenschaftler richtiger ist. Es bedeutet nur, dass es zwei Definitionen gibt.
• In diesem Buch interessiert uns die naturwissenschaftliche Definition.
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Das Kribbeln im Bauch
Sie lesen gerade Buchstaben, die sich im Gehirn in einer neuen Gesamtheit formen - dem Wort. Die Worte formen sich zu Sätzen, die Sätze zum Sinn. Was läuft ab, wenn die Gedanken den Worten folgen? Was treiben die Nervenzellen, wenn ein Film so traurig ist, wenn ein Roman uns fesselt oder ein Komiker wirklich komisch ist? Was ist mit uns, wenn wir vor Wut kochen oder uns vor Stress übergeben müssen? Und läuft das nur im Gehirn ab? Oder auch anderswo? Im Bauch
vielleicht?
»Aus dem Bauch heraus« zu entscheiden ist inzwischen schon zum geflügelten Wort geworden. Die Dinge aus dem Bauch heraus zu sehen, empfehle ich alle drei Tage meinen Studenten.
Und ich meine damit etwas, was uns täglich begleitet, obwohl keiner so genau sagen kann, was damit eigentlich gemeint ist.
Vielleicht meinen wir eher eine gewisse, unbestimmte Art von Intuition? Oder meinen wir, aus dem
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