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Denken Mit Dem Bauch

Denken Mit Dem Bauch

Titel: Denken Mit Dem Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard G. Busch
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neurobiologische Wissenschaft geht sogar noch einen Schritt weiter: Wir Neuzeit-Menschen haben in unserer
    gesamten Neuzeit-Entwicklung trotz aller logischkognitiven Fähigkeiten noch nie so viel aus dem Bauch heraus (emotional) entschieden wie in den letzten zweihundert Jahren. Interessant ist allerdings, dass die allgeme ine Meinung, die allgemeine Selbstwahrnehmung der Menschen in ihren vielfältigen
    Kulturen davon ausgeht, dass wir heute in einer Zeit leben, in der gar nichts mehr emotional entschieden wird. Was für ein aberwitziger Irrtum! Der Irrtum ist kollektiv und umfassend, wie
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    die Beispiele von New York und Afghanistan zeigen…
    Wenn es so ist, dass wir Menschen in dieser Zeit, im Hier und Jetzt, so intensiv Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen, wie ist dann zu verstehen, was die Soziologen und
    Gesellschaftswissenschaftler mit dem Begriff »Emotionale Verarmung der Gesellschaft« beschreiben? Wäre es dann nicht eher so, dass wir in einer emotional reichen Gesellschaft leben, wenn wir häufig und intensiv Bauchentscheidungen treffen?
    Nein, das eine schließt das andere nicht aus, im Gegenteil.
    Wenn wir Menschen in einer sozialemotional armen Welt leben (und das tun wir zweifellos), dann ist es nur folgerichtig, dass die Binnenentscheidungen, die Entscheidungen, die uns ganz persönlich betreffen, häufig Bauchentscheidungen sind.
    Man könnte sogar ein Regelwerk dazu aufstellen. Die Regel würde lauten: Je sozial vereinsamter ein Mensch, umso
    intensiver sein Dialog mit sich selber, sein Dialog zwischen Kopf und Bauch. Der sozial Vereinsamte hat viel mehr Anlass, mit sich und seinem Bauch in den Dialog zu gehen, mit wem sonst? Der sozial Reiche, der mit vielen Sozialkontakten, der mit viel emotionaler Rückmeldung, benötigt das gar nicht so sehr.
    Er kann sich eher den Luxus leisten, bei seinem
    Entscheidungsverhalten mit Kognos (dem Kopf) umzugehen.
    Ein Beispiel aus der aktuellen Gesellschafts- und
    Soziologieforschung verdeutlicht meine Annahme dramatisch: In der Bundesrepublik Deutschland zählen wir 22,4 Millionen Familien. 12,8 Millionen der Familien haben Kinder. Bei rund 3
    Millionen der Kinder-Familien handelt es sich um allein erziehende Mutter-Kind-Familien. (Quelle: Universität Bremen und Bundesamt für Datenverarbeitung und Statistik Bonn, Stand: Oktober 2001)
    Da den allein erziehenden Müttern ganz einfach für viele emotio nale Entscheidungen der konkrete, der hautnahe
    Kommunikationspartner fehlt, neigen sie mehr dazu, die anstehenden emotionalen Entscheidungen aus dem Bauch
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    heraus zu treffen. Sie gehen also in den Bauch-Kopf-Dialog, weil ein anderer Dialog nicht so ohne weiteres möglich ist.
    Keine Gesellschaftsgruppe ist so sehr der Aggression der Versandhäuser und Versandhauskonzerne ausgeliefert wie diese allein erziehenden Mütter.
    Jeder Produktmanager eines Versandhauses bekommt
    leuchtende Augen, wenn er irgendwo Adressenmaterial allein erziehender Mütter preiswert ergattern kann. Solch eine Adresse hat einen Marktwert von 2 bis 15 Euro, je nachdem, wie einsam die Mutter ist. Je einsamer, umso teurer. Allein erziehende Mütter mit zwei bewältigten Ehescheidungen, Schulden,
    kleinem Einkommen und Sozialwohnung sind die Begehrtesten, weil sie vermutlich den größten sozialen Einsamkeitsstatus haben. Ist die einsame Mutti auch noch arbeitslos, umso schöner. Dann fehlt ihr auch noch die emotionale Rückmeldung der Kollegen. »Die kaufen alles, wie die Besessenen…du musst den Mist nur emotional geil verpacken… dann schnappen die, aus dem Bauch heraus…«… O-Ton eines Produktmanagers für Kinder- und Babykleidung bei einem der großen
    Versandhauskonzerne.
    Warum kaufen diese Mütter wie die »Besessenen««? Die
    pfiffig gemachten Kataloge der Versender signalisieren eine Art Kommunikationsersatz. Und die Kataloge nehmen auf die
    Einsamkeit der Zielgruppe konkret Rücksicht. Die Ansprache an die einsame Mutti wird immer emotionaler, mit Vorname, Geburtstagskarte, Weihnachtsgruß und allem Drum und Dran.
    Beim Ausfüllen des Bestellzettels spricht der Bauch. Und auch die internen und externen Hotlines der Versandhäuser wissen das. Die dort beschäftigten Call-Center-Agents werden von Psychotrainern knallhart darauf trainiert, der Mutter am Telefon als Partnerersatz zu dienen. Das kommt gut an. »Was trainieren Sie denn konkret mit den Call-Center-Agents der Versandhaus-Hotline‹i«, wollte ich von dem 38jährigen, smarten Cheftrainer eines

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