Denken Mit Dem Bauch
man das Neuro-Biosystem des Menschen verändern - und das geht, wie schon erwähnt, nicht so ohne weiteres. Jenen zu kündigen, die ständig nach dem Bauch leben, ist auch keine Lösung. Denn die Nachfolger sind ebenfalls in ihren Programmabläufen fixiert.
Und in der betrieblichen Praxis ist ein menschliches Ekel, das Euros produziert, höher angesehen als ein Humanist, der Miese macht.
Ob die Zeit auf lange Sicht das menschliche Miteinander auf verträglichere Sockel setzt? Wir Menschen brauchten für eine genetische Veränderung unseres Ur-Aggressionsprogramms ein paar Millionen Jahre. In dieser Zeitspanne müssten völliger Friede und herzliche Eintracht unter uns Menschen herrschen -
sonst hat das genetische Ur-Aggressionsprogramm keine
Veranlassung zu einer Veränderung. Wir würden niemals
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lernen, das Ur-Rivalitätsprogramm in ein echtes PartnerProgramm weiterzuentwickeln, wenn das nicht im Sinne der Arterhaltung sinnvoll wäre. Sinn machen würde eine solche Programmveränderung für die Arterhaltung jedoch nur dann, wenn die Arterhaltung schlüssig abhängig wäre von einem partnerschaftlichem Umgang miteinander.
Arterhaltung ist aber nichts Partnerschaftliches, es ist keine Teamleistung nötig. Teamleistung ist sogar hinderlich im ganz persönlichen Wettbewerb der Gene. Arterhaltung kann ohne Selektierung und Aggression überhaupt nicht funktionieren. Nur der Stärkere, der Bessere, der Größere wird überleben, lautet das archaische Programm. Das gilt prinzipiell für alle
Lebensbereiche, auch für den Betrieb, wenn auch mit graduellen Abstufungen. Unser Bauch weiß: Partnerschaftlicher Umgang miteinander schafft keine Leistungsauslese innerhalb eines sozialen Systems. Nur die Rivalität bewirkt dies und zeigt den Unterschied zwischen Minderleistung und Hochleistung.
Auch die Idee, ein komplexes Marktgeschehen oder ein
komplexes Sozialgeschehen richtig und treffend zu
interpretieren, ist lediglich hübsch und wünschenswert - mehr nicht. Verzerrte kognitive Strategien zu entwickeln, die mit der Realität nichts zu tun haben, sind die Spezialität von uns Menschen. Das Gehirn erhält Bauch-Fehlinformation am
laufenden Band. Diese Fehlinformationen, die zu den kognitiven Verzerrungen (Falschbewertungen von Zusammenhängen)
führen, resultieren aus der schon erwähnten Sturheit des Bauches, sich nur an dem zu orientieren, was er kennt. Kennt er es nicht - beginnt er zu fabulieren und gibt dem Gehirn die Informationen, die sich aus der Vergangenheit finden lassen. Ob sie für die neue Situation auch nur halbwegs passend sind, ignoriert der Bauch. Hauptsache, sein Programm wird nicht gestört. Wie heißt es so schön?: »Wat der Bur (der Bauer) nit kennt, dat fritt (frisst) er nit.« Fast alle Bäuche der Welt verhalten sich so oder ähnlich und wagen sich an Neues kaum
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heran. Ihrer nicht und meiner nicht.
Das, was für den Umgang im betrieblichen Geschehen gilt, gilt auch für das Marktgeschehen. Es ist noch niemandem gelungen, eine auch nur annähernd treffsichere Prognose über ein komplexes Marktgeschehen zu entwickeln. Dazu wäre es erstens nötig, alle (alle) relevanten Informationen zu erlangen -
und diese Informationen dann völlig objektiv zu bewerten -, ohne jeden intuitiven Einfluss. Zweitens wäre es nötig allen (alle) Interessengruppen, die an solch einem komplexen Marktgeschehen teilnehmen, ihre grundsätzlichen Ur-Rivalitäten wegzunehmen bzw. ihr Rivalenprogramm zu verändern und
liebe, berechenbare Menschen aus ihnen zu machen. Dann könnte es vielleicht sein, dass alle objektiven Fakten von allen Beteiligten auch objektiv und ohne individuelle Bauchinteressen gesehen würden. Eine Illusion…
»Fair« und »Wettbewerb« schließen sich in unserem
Bauchprogramm grundsätzlich aus. Unser menschliches
Programm ist nicht »fair«, aber es ist für »Wettbewerb«. Das nennen wir in der Wirtschaft dann schlicht »Verdrängungs-Wettbewerb«. Allerdings tun wir nach außen hin immer so, als hätten wir Friede, Freude und Eierkuchen geradezu gepachtet.
2. Berufsleben-Irrtum:
Der Mitarbeiter von morgen ist der faire Brainworker, der hochgradig teamfähig im Austausch mit seinen Kollegen zum Wohle des Unternehmens arbeitet und seine Intelligenz und Kreativität in ehrlicher Kommunikation zum Wohle aller einsetzt.
Wenn ich zum Beispiel von einem jungen Mann in einem
Betrieb tatsächlich Höchstleistung fordere, fordere ich gleichzeitig immer auch seine Distanzierung
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