Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
eine große Künstlerin auf dem Kla-vier war^^*^), am Fortepiano eine Frau sitzen, welche ich nach allem, was ich bereits gehört — für die berühmte Dichterin erkennen mußte. Ich werde den Eindruck nicht vergessen, den mir ihre Gestalt machte. Sie war eine ziemHch große, starke Frau, über alle Jugend hin-aus, mit bedeutenden, aber nicht angenehmen Zügen, deren Ausdruck — in dem vortretenden Mund und Kinne, in der ganzen etwas mohrischen Bildung mir eine überwiegende Sinnlichkeit zu verkünden schien, und deren auffallender, ich möchte sagen gewagter Anzug Ansprüche anzeigte, welchen sowohl die Jahre als die ganze unanmutige Erscheinung nicht entsprachen^^). Ich grüßte allseitig, aber flüchtig, wurde der Frau von Stael ebenso flüchtig genannt, und ging ins Neben-zimmer, weil kein Vorzimmer vorhanden war, wo man die Überkleider ablegen konnte, um Schal und Über-rock auszuziehen. Gleich darauf kam Frau von Stael mir nach, trat vor einen Spiegel, der sich hier befand, fing an, ihren Kopfputz zu ordnen und richtete aus
dem Spiegel die Rede über jenen Aufsatz im Morgen-blatt an mich. Ich antwortete freimütig, aber beschei-den; das Gespräch dauerte nicht lange, andere traten dazwischen, die Unterhaltung wurde allgemein, und Frau von Stael verließ die Gesellschaft bald in Be-gleitung ihres Cavaliere servente, des Herrn von Schlegel. Die Art, wie sie ihn fragte, ob ihre Leute da wären? und ihm mit einer bloßen Kopfneigung an-deutete, sich darnach umzusehen, mißfiel mir um sein-und ihretwillen gleich sehr. Sie erregte bei den Ver-ehrerinnen des anziehenden Unglücklichen aufs neue inniges Bedauern, worein ich nun freilich nicht ein-stimmen konnte; aber sie diente nicht dazu, den Ein-druck zu mildern, den die ganze Persönlichkeit seiner Prinzipalin auf mich gemacht hatte.
Bald darauf wurde ich von ihr zu Tische gebeten. Der Kreis war klein und bestand nur aus unserm wür-digen Freund Heinrich von Collin, dem Baron Stei-gentesch, der Frau vom Hause, ihrem jüngeren Sohn^2^), einem bildschönen Knaben von etwa 12 Jahren, ihrer noch etwas jüngeren und ebenfalls sehr hübschen Toch-ter Albertine^^ (der verstorbenen Duchesse de Broghe), aus Schlegel und mir. Hier aber, gleichsam im häuslichen Kreise, wo keine Prätension, keine Ab-sicht zu glänzen, keine Koketterie sie zu einem Betragen verleitete, das sie nicht wohl kleidete, kam sie mir ganz anders und viel liebenswürdiger vor. Vor allem bestach mich der ungemein schöne, weiche Ton ihrer Stimme, und diese Stimme trug so geistreiche Dinge mit so gewähltem Ausdruck vor, daß ich wenigstens ihr mit dem größten Vergnügen zuhörte, und nur einen Stenographen ins Nebenzimmer wünschte, um schnell zu Papier zu bringen und so der Vergessenheit
zu entreißen^ was sie so bedeutend als schön sagte. Nach Tische mußte Collin ihr etwas von seiner Arbeit deklamieren* — sie überlas es vorher, denn sie las und verstand das Deutsche wohl, nur sprach sie es nicht geläufig. Sie hörte dem Dichter mit sichtbarem Anteil zu, und faßte lebendig jede Schönheit auf. Dann holte sie ein französisches Gedicht, das eine schweize-rische Dame gedichtet und das wirklich voll tiefer Empfindung war, und las es uns mit innigem und lebendigem Ausdruck vor, indem sie mit liebens-würdiger Wärme uns jede schöne Stelle bemerklich machte. So wußte sie fremdes Verdienst freundlich geltend zu machen, und erschien mir in diesem Ver-fahren und in ihrer einfacheren Natürlichkeit weit angenehmer als in der anmaßenden Rolle einer hoch-berühmten Frau, der alles huldigen soll, in welcher ich sie bei Frau von Nuys gesehen hatte.
Nun kam der Fasching und mit ihm eine glänzende Reihe von Festen und Unterhaltungen, denn unser Kaiser feierte seine Vermählung mit der anmutigen Marie Luise von Este^^). Diese Prinzessin war von ihrer Mutter früher, wie man sagte, zum Kloster be-stimmt (welche Bestimmung ihre bald nachher sich äußernde KränkHchkeit wohl zu rechtfertigen schien); aber sie hatte eine so sorgfältige Erziehung genossen, und fand in ihrem Geiste so viel Gewandtheit und Kraft, daß sie sogleich bei ihrem ersten Auftreten am Hofe sich mit ebensoviel Majestät als Anmut in die neue Herrlichkeit und die Rolle einer hochgestellten Monarchin zu finden wußte. Der Kaiser hatte sie aus vvirklicher Liebe gewählt, er hatte gesagt: Seine erste Frau, Elisabeth von Württemberg^^, habe ihm sein Oheim gegeben; die zweite, Therese von Neapel^^"),
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sein Vater; diese
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