Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Reichtum des Ausdrucks nicht gleichkommen konnten; daß sie aber bei einem nochmaligen Besuche die Gefälligkeit haben möchte, sich im Gespräch mit uns unserer Sprache zu bedienen; dann würde man er-kennen, auf wessen Seite der Vorteil sei.
Doch wieder auf jenen Aschermittwoch zu kommen, an den ich nach fast 30 Jahren nicht ohne Verlegenheit denken kann, so saßen denn unsere Damen, — unter welchen sich leider viele befanden, von denen ich noch nicht begreife, wie meine so geistvolle, hochgebildete Mutter sie fast täglich um sich dulden konnte — in dichtgedrängter Reihe um den Teetisch, jede mit
-■ <^ ■-'^i:1v^s^'^:
einem Strickstrumpf bewaffnet, jede fest entschlossen, und viele wohl auch, wie ich oben sagte, bemüssigt, eine stumme Rolle zu spielen. Es wurde sieben (die damals gewöhnliche Versammlungsstunde), es wurde halb 8 Uhr, die Erwartete erschien nicht. — Von Män-nern, welche man Frau von Stael mit Ehren vorstellen konnte, hatte ich nur Herrn von Hammer und unsern Collin für diesen Abend bekommen, und dies waren, nebst meiner Mutter, die vortrefflich französisch sprach, die einzigen Personen, auf die ich zählen konnte, um Frau von Stael zu unterhalten, wenn sie käme. Dies geschah denn endlich um 8 oder nach 8 Uhr, wo sie von der Gräfin Wrbna^^'), ganz nahe bei uns, auf eine kurze Zeit zu mir herüber kam. Sie trat ein, und aller Blicke wendeten sich nach ihr. Ein Kleid von silbergrauem Atlas und ein Schal oder Tuch von schwar-zen Spitzen darüber, war ein recht passender Anzug für eine Frau von ihren Jahren, aber ein, auf orien-talische Art gewundener Wulst von schwarzem Samt, mit hochroten Grains d'Inde vielfach umschlungen, gab ihr etwas Höchstauffallendes, Kühnes, und kleidete sie, meiner Meinung nach, bei ihren starken, männ-lichen Zügen und braunem Teint durchaus nicht.
Sie saß neben meiner Mutter auf dem Kanapee, ich nahm meinen Platz an ihrer Seite, Schlegel, Ham-mer und Collin näherten sich ebenfalls, die Frauen rings um den Tisch hatten ehrerbietig gegrüßt und sich jetzt wieder niedergesetzt, um — zu stricken, wie das altenglische Lied sagt:
Phillis, ohne Sprach und Wort, Saß und strickte ruhig fort.
Mich überfiel eine Art von Bangigkeit, so oft ich auf diese schweigsame Gesellschaft sah, die die hoch-
, "t.
Anne Louise Germaine baronne de Stael
A. Maurin (1833) pinx., de Villain lith. k. k. Fidei-Commiß-Bibliothek, Wien
berühmte Frau lautlos umgab, sie nur dann und wann mit neugierigen Blicken musternd, und mir dachte, welche Vorstellung sich Frau von Stael wohl nach diesem Abend von dem Kreis machen möchte, in. dem ich lebte. Daß es nicht eigentlich meine, sondern meiner Mutter Bekannte waren, konnte ich nicht sagen und sie nicht erfahren, da ich, solange meine Mutter lebte, in diesen wie in so manchen andern Stücken mich gänzlich nach ihr richten mußte.
Indes unterhielten eben meine Mutter und die Her-ren, welche zugegen waren, das Gespräch mit Frau von Stael sehr lebhaft und angenehm; sie schien wenigstens sich nicht zu ennuyieren, sie sprach äußerst geistreich und sagte unter andern von Chateaubriand: il est croyant par Imagination — eine, wie mich dünkt, sehr passende Bezeichnung. Dann forderte sie ' mich auf, sie mein organisiertes Fortepiano hören zu lassen. Ich spielte ihr etwas vor, das Instrument gefiel ihr wohl, wie es denn auch wirklich, maiÄhe kleine Gebrechen abgerechnet, vielen Genuß gewährte ^^'*). Sie berührte es hierauf selbst, aber ich kann nicht sagen, daß sie eigentHch gespielt hätte, und bald darauf ging sie weg. Ich fühlte mich völlig erleichtert, als sie fort und diese so heterogene Erscheinung aus dem Gesell-schaftskreise, für den sie und der nicht für sie paßte, verschwunden war. Nun war das Siegel von dem Mund der Damen gelöst, und sie ahnten wohl nicht, wie sie so nach ihrer Art diese Frau beurteilten, daß sie, zwei Häuser weit von uns, bei der Gräfin von Wrbna, zu der sie Wieder von uns ging, sie die Tricoteuses de la tribune genannt hatte.
Die Visite war denn also abgetan und ich froh, daß sie nicht wiederholt wurde. Indes blieb Frau von
21 c. p. I
Stael sehr artig gegen mich, und lud mich durch ein freundschaftliches Billett bald darauf zu einer theatra-lischen Vorstellung ein, welche bei der Gräfin Zamoys-ka ^^) statthaben, und wo Frau von Stael in einem, von ihr selbst gedichteten kleinen Schauspiel Hagar, und dann in einer kleinen Komödie: Le legs auftreten sollte. Die
Weitere Kostenlose Bücher