Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
Knaben lebt. Auch in diesem Stücke zeigte sie sich als eine sehr ge-schickte Schauspielerin; aber ihre Gestalt nahm sich durchaus unvorteilhaft in der Kleidung von Tierfellen, mit herabhängenden Haaren, ohne allen Putz, aus,
    324
    ihr Spiel war zu heftig, und die Dichtung selbst nicht sehr bedeutend.
    In der nächstfolgenden Fastenzeit hielt uns A. W. Schlegel im Janischen Saale Vorlesungen über, Drama-turgie^**). Diese Kollegien, in den Vormittagsstunden gehalten und von allen besucht, welche mit Recht oder Unrecht Anspruch auf Geistesbildung oder Ele-ganz machten, boten eine recht angenehme Versamm-lung interessanter Personen dar. Frau von Stael er-schien fleißig, man war sicher, viele Bekannte und aus-gezeichnete Menschen zu treffen oder kennen zu lernen; was Schlegel sagte oder las, hatte natürhcher-weise viel Gehalt, wenn es gleich zuweilen Paradoxen enthielt und sein Vortrag nicht gerade hinreißend war. So bildeten diese Vorlesungen eine sehr angenehme Unterhaltung und einen Vereinigungspunkt für die schöne Welt auch nach dem Karneval.
    Eine Freundin meiner Eltern, Frau von Flies ^*^), Schwester des Barons von Eskeles^*^), war nach einer langen Abwesenheit im Jahre 1802 oder 1803 wieder nach Wien zurückgekommen. Sie war Witwe und be-jahrt, aber ein reger Geist, eine Liebe zu höheren geistigen Genüssen und eine unepdhche Gutmütig-keit und FreundHchkeit machten ihr Haus, so klein es war, zu einem angenehmen Sammelplatz für einen beschränkten, aber gewählten Kreis gebildeter Men-schen. Man versammelte sich an einem bestimmten Wochentage und manche, die schon zu den Auserwähl-ten gehörten, blieben nach der Soiree bei einem mäßigen, aber niedlichen Souper. Mich hatte Frau von Flies liebgewonnen, ich war die Tochter lang-bewährter Freunde, sie hatte mich als halbgewach-senes Mädchen verlassen und fand mich als Frau von
    mittleren Jahren, als Schriftstellerin, die schon einigen Namen erworben hatte, wieder; so war ich ihr wert, und ich achtete sie als eine mütterliche Freundin. Viele angenehme Stunden habe ich in ihrem Hause verlebt, viele anziehende Bekanntschaften dort gemacht; durch sie ward unsere FamiHe dem Arnsteinschen Hause, mit dem schon meine Eltern wohlbekannt waren, dem mich aber wie vielen andern die Ent-fernung meiner Wohnung entfremdet hatte, wieder genähert, und ich kam nun sehr oft in diese glänzenden Häuser von Arnstein^*'), Pereira^*^) und Eskeles.^ Doch am meisten fühlte ich mich verpfHchtet, Frau von Flies für ihr Wohlwollen und ihren herzlichen Anteil an mir zu danken.
    Bei ihr sah ich denn auch A. W. von Schlegel, die schöne Großmutter und viele bedeutende Fremde. Schlegel las uns Übersetzungen aus Calderon und andere Gedichte, teils von ihm selbst, teils von seinem Bruder Friedrich vor^*^), dessen Ankunft in Wien man fürs nächste Jahr erwartete, und auf welchen, sowie auf den schon anwesenden Bruder, ihre Fehden mit Kotzebue und Merkel^"), sowie ihre Vergötterung Goethes und die neuen Theorien von Poesie höchst aufmerksam gemacht hatten. Jene Abende bei Frau von FHes waren mir sehr angenehm, und in solchen lebhaften geselligen Verbindungen ging der Winter von 1807 auf 1808 genußreich hin.
    Im Frühjahr dieses Jahres erschien mein Agathokles, an dem ich fast drei Jahre gearbeitet hatte, und er-regte im Anfange wenig Teilnahme^^^). Auf mich stürmte in derselben Periode manches häusliche Leiden ein und wurde mir zum Prüfstein meiner inner-lichen Kraft. Ich ertrug und ich kann sagen, ich über-
    wand es. Waren doch meine Lieben, mein Mann, mein Kind, meine Mutter mir geblieben. Ich war an manchem Schönen, mancher jugendHchen Täuschung ärmer, aber an Mut, Erfahrung und Geduld reicher geworden.
    Im nächsten Herbste traf also Friedrich von Schle-gel^^^) mit seiner Frau, einer gebornen Mendelssohn, in Wien ein. Alles war sehr gespannt auf dieses Paar; denn nächst dem wohlverdienten literarischen Ruhm, der Friedrich von Schlegel voranging und ihm schon längst die Achtung der Gelehrtenwelt erworben hatte, gesellte sich noch ein pikanterer Reiz dazu. Man freute sich, den streitfertigen Gegner Merkels und Kotzebues, den Mann, der als Gründer einer neuen poetischen Schule so viele langverehrte Autoritäten von ihren Altären stürzen wollte und in Vieler leicht beweglicher Meinung auch gestürzt hatte — endlich auch den Ver-fasser der vielberüchtigten Lucinde^^^) von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Dieses Buch, sowie das meiste, was ungefähr 5—6

Weitere Kostenlose Bücher