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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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Versammlung war sehr glänzend, es war die Creme de la Societe, obwohl sie damals noch nicht so genannt wurde; das Appartement, nach dem da-maligen Geschmack auf griechische Art drapiert, von den ebenfalls unlängst modegewordenen argan-tischen Lampen erhellt, und eine Menge kleinerer oder größerer Etablissements mitten im Salon, so daß die Gesellschaft ohne allen eigentlichen Mittelpunkt nach allen Richtungen, wie es gerade jedem beliebte, saß, stand, ging, lehnte usw. Mir war dies damals et-was Neues, denn in den Gesellschaften des Mittel-standes herrschte noch die ältere Sitte; aber ich fand das Neue wo nicht hübsch, doch bequem, und jetzt ist es wohl schon überall verbreitet, wo man auf Eleganz Anspruch macht.
    Endlich begann die Vorstellung. Wir wurden in einen andern Salon geführt, wo ein kleines Theater aufgeschlagen war. Das erste Stück, Hagar^^^, war von Frau von Stael selbst. Die Szene stellte die Wüste vor. Frau von Stael, in sehr einfachem orientalisieren-den Anzug, trat, ihre Tochter (die Herzogin von Broglie, damals ein zehnjähriges Kind) als Ismael -an der Hand, auf, und gab wirklich mit vieler Wahrheit und Lebhaftigkeit die Rolle dieser leidenschaftlichen, unglücklichen Mutter, wobei ihr ihre ausdrucksvolle Physiognomie und ihre schöne Stimme sehr zu statten kam. Mich und vermutlich alle meine gegenwärtigen
    Landsleute befremdete wohl das sehr heftige, tragie-rende Spiel der französischen Schule, aber nie werde ich des Tones vergessen, der ihren bebenden Lippen entfloh, als sie in ihrer ungestümen Heftigkeit den Wasserkrug, in dem sich ihr letzter Vorrat und das letzte Mittel, des verschmachtenden Kindes Leben zu fristen, befand — umgestoßen hatte, und sie nun den Inhalt desselben gleichsam mit dem Leben des Kindes verrinnen sah. Es war kein Schrei, kein Ruf, aber es war ein unartikulierter Naturlaut, der, tief aus der Seele kommend, wieder in die Seele drang, und den ich gern mit jenem, ebenfalls halblauten Schmerzenston Crescentinis vergleichen möchte, wenn der Sargdeckel abgehoben wurde, und er nun Juliens Gestalt als Leiche vor sich erblickte.
    Doch nun erschien der Engel — der jüngere Sohn der Frau von Stael — ein Knabe von zwölf bis vier-zehn Jahren, weiß gekleidet und mit himmelblauem Krepp drapiert, wirklich einem Engel an Schön-heit gleich, obwohl sein Spiel, wie das bei Knaben in solchen Jahren gewöhnlich ist, ziemlich steif und unbedeutend war, und das Stück eijdete froh und trostvoll unter lebhaften Beifallsbezeugungen der Menge. ' '
    Hierauf folgte das französische Lustspiel Le legs^***). Ein Testament verbindet einen jungen Kavalier, seine Hand der Erbin eines großen Vermögens zu geben, wenn er dessen teilhaftig werden will. Aber er liebt . eine andere und zieht diese der. reichen Erbin vor. Ein fataler Zufall wollte, daß das Frauenzimmer, eine nicht ganz junge Person, wie man sagte, welche die verschmähte Erbin hätte machen sollen, denselben Tag krank wurde, und nun die Frau vom Hause, Gräfin
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    ; Zamoyska selbst, eine junge und sehr hübsche Dame, .. aus Gefälligkeit und 41m die Darstellung möglich zu machen, die Rolle der Verschmähten übernahm. Frei-lich las sie selbe nur aus der Schrift herab, aber sie stand doch leibhaft in ihrer Jugend und Schönheit vor uns, während Fürst Clary^*^), der den jungen Mann mit ebensoviel Anstand als Lebhaftigkeit gab, ihr die Frau von Stael, die jetzt in modernem Kostüm, weiß an-gezogen und das Überkleid mit einem Ungeheuern Bukett am Knie trassiert, nichts weniger als schön aussah, vorziehen sollte. Es lag etwas gar zu Wider-sprechendes und daher Störendes in dieser Rollen-besetzung, die denn auch zu manchem Witzworte über die, ohnedies nicht beliebte Schriftstellerin An-laß gab, sowie man ihre Hagar, la justification d'Abra-ham nannte.
    Nicht lange darnach wurde bei Fürst Liechten-stein^*^ auf seinem Haustheater im Palast in der Herrengasse ein zweites Stück von Frau von Stael: Genevieve de Brabant^*^) gegeben. Sie war Genovefa; Fürst Clary Sigefroi, ihr Gemahl; Schlegel ein Eremit des Ardennerwaldes; Albertine (ihre Tochter) hatte die Rolle des Schmerzenreich (l'enfant de la douleur), und ihr Sohn gab einen, von ihr hinzugedichteten , älteren Sohn Genovefens und Siegfrieds, der seinen Vater auf die Jagd begleitet. Von Golo und allen Be-gebenheiten, die ihrer Verstoßung vorausgehen, wurde nur gesprochen, und das Stück begann in ihrer Höhle, in der sie schon sieben Jahre mit ihrem

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