Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
Jahre früher aus der Feder dieser beiden Brüder geflossen war, hatte Deutschland in Erstaunen gesetzt; war aber doch von den meisten zwar mit Anerkennung der großen Ge-lehrsamkeit, im ganzen aber mit Mißbilligung auf-genommen worden. Überdies erwartete man;in Frau von Schlegel^^*) das Urbild der Lucinde zu erbhcken, und so sah man ihrer beiderseitigen Erscheinung be-gierig entgegen.
    Hatte aber schon A. W. Schlegel durch sein zier-liches, fashionables und fast übertrieben sorgfältiges Äußeres die allgemeine Erwartung getäuscht, welche auf einen tüchtigen Renommisten und rauhen, scharfen Kritiker, dessen Sitten der Umgang mit den schönen
    Künsten nicht gemildert hatte, vorbereitet war, so fand sich bei seinem Bruder noch weniger von diesem, durch die Phantasie entworfenen Bilde. Friedrich Schlegel war ein Mann gegen Vierzig — mit einer ziemlich an-genehmen Bildung, der aber in Wuchs, Gesicht und Benehmen viel eher einem einfachen, redlichen Bür-gersmann als einem schlag- und streitsüchtigen Ge-lehrten glich ^^^). Noch auffallender war der Kontrast zwischen dem Bilde, das wir uns hier von seiner Frau entworfen, in der jedermann das Urbild der schönen, lüsternen, freien Lucinde zu finden dachte, und dem Eindrucke, den die wirkhche Erscheinung dieser Frau machte. Es war eine, längst über alle Jugend und alle Schönheit — wenn je eine dagewesen war — hinaus-gerückte Gestalt, von mittlerem, etwas starkem Wüchse mit geistreichen, aber beinahe männHchen Zügen, wie denn manche, die ihren berühmten Vater gekannt, behaupteten, sie sähe ihm ganz ähnlich. Dennoch war in diesen nicht reizenden Formen ein solcher Aus-druck von Geist und höherer Natur, in diesen wirk-lich schönen schwarzen Augen so viel Leben, Feuer und Güte, in dieser ganzen Persönlichkeit so viel echt weibliche Würde, sittsamer und feiner Anstand, daß es unmöglich war, auch nur einen Augenblick länger an jenes schlüpfrige, unsaubere Bild zu denken, und daß man sich mit mächtigen Banden der Achtung und des Wohlwollens zu dieser merkwürdigen, geist-vollen und doch so anspruchslosen, zu dieser viel-besprochenen, vielgeprüften und doch so einfachen Frau hingezogen fühlte. Wenigstens ging es mir so, und die allgemeine Achtung, deren sie während eines vieljährigen Aufenthaltes in Wien sowie später in Frankfurt genoß, die warme Freundschaft, mit welcher
    alle, die sie näher kennen gelernt, an ihr hingen, be-weist, daß diese meine Empfindung, welche mich nun auch schon seit beinahe dreißig Jahren für diese Frau belebt, keine individuelle Ansicht oder wohl gar Täu-schung gewesen sei^^^).
    Genug, die Schlegel waren nun in Wien. Bald er-hielt Friedrich eine diplomatische Anstellung, die ihn an Österreich band, und ihr Haus ward ein Vereini-gungspunkt für höhergebildete Menschen, interessante Fremde und Künstler. Sehr angenehm verflossen dann die Abende in diesem^ Kreise,'"und gerade die Beschrän-kung der Glücksumstände, welche der Familie keinen Aufwand, keine oft lästige Eleganz und prätenziöse Fashionablität erlaubte, gab diesen Zusammenkünften einen eigentümlichen Reiz von hausväteirlichem Ton und herzlichem Wohlwollen. Man fühlte, daß man wirklich willkommen war, und daß das einfache, aber schmackhafte Gouter uns mit aufrichtiger Wohl-meinung geboten wurde. Ich war ungemein gern da, und zähle jene Stunden, bei Frau von Schlegel zu-gebracht, zu den angenehmsten meines Lebens^^').
    So verging das Jahr 1808 unter wechselnden, aber bedeutenden Ereignissen, und das ungleich wichtigere 1809 brach an.
    Schlegel hatte eine Zeitung begonnen. Es war der Osterreichische Beobachter^5^), der damals zuerst er-schien, und so wie jetzt unter der Ägide und mithin unter der Aufsicht der Staatskanzlei oder eigentlich des Fürsten (damals Grafen) Metternich stand. Große Bewegungen schienen sich vorzubereiten und auf noch größere Ereignisse hinzudeuten. Napoleon dehnte in Krieg und Frieden seine Macht immer weiter aus. Er eroberte durch seine Armeen und seine überraschende
    Taktik, die damals noch immer das Erstaunen und eben deswegen auch den Ruin der feindlichen Armeen ver-ursachte, große Länderstrecken. Was er erobert, be-hielt er beim Friedensschlüsse und wußte nach dem Frieden oder eigentlich während des Friedens unter allerlei der nichtigsten Vorwände, womit er der Welt gleichsam spottete, mehr Länder zu besetzen, zu be-halten und als direkte und indirekte Staaten seinem, bereits nach der

Weitere Kostenlose Bücher