Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
Universalmonarchie strebenden Reiche einzuverleiben, als ihm das Glück der Waffen verschafft hatte. Die Freiheit der Presse war durch ihn vernich-tet, ein ungeheures Lügensystem in den Zeitungen eingeführt und in der Absicht, den englischen Handel zu zerstören, ganz Europa mit der Kontinentalsperre unter dem unerträglichsten Drucke gehalten. Alles seufzte unter diesem Joche, die alten Throne wankten, und mit Bangigkeit sahen Völker und einzelne dem Los ihrer künftigen Tage entgegen, dessen Bestimmung einzig und allein von dem Willen eines Mannes, dieses Napoleon, abhängig war, den jetzt so viele mit un-begreifHcher Vergessenheit alles einst Geschehenen als einen Verfechter der Völkerfreiheit und liberaler Ideen betrachten.
    In ganz Deutschland, besonders nach dem Unglücke Preußens ^^^), gärte und kochte Haß gegen diesen — jetzt so gerühmten Freiheitshelden, und geheime Ver-bindungen knüpften sich an, um wo möglich eine Reak-tion hervorzubringen. Es mag nun wohl sein, daß englisches Gold unter der Hand zvl diesem Zwecke tätig gewesen war, so viel aber ist gewiß, und jeder Zeitgenosse, der jene Epoche mit erlebt, wird es zu-geben müssen, daß ganz Deutschland sowie Österreich die Last jener Verhältnisse mit Schmerzen fühlte und
    einer Möglichkeit, sie abzuschütteln, mit banger Sehn-sucht entgegensah.
    Ein schönerer Geist fing an, sich zu regen. Durch Bücher, durch Dichtungen, durch die Richtung, welche Kurist und Literatur auf vaterländische Gegenstände nahmen, bekamen diese höheren Wert für jeden, als sie vormals gehabt hatten. Die Idee des Vaterlandes, die Nationalehre erwachte in den, durch lange Gewohn-heit und bequemes Hinleben im behaglichen Friedens -Stande der letzten Dezennien erschlafften Geistern, und es ist nicht zu leugnen, daß auch die romantische Poesie, indem sie eine bis dahin unbeachtete Vergangenheit aus ihren Gräbern aufrief, und die alten Schätze deutscher Dichtkunst uns vor Augen führte, diesen Geist erhöhte und verstärkte. Man fing an, das alte Deutschland zu lieben, man studierte seine Sitten, man erwärmte sich an dem ritterlichen, frommen Sinne des Mittelalters und gewann das Land und die Landsleute lieber, denen man früher gern alles Ausländische vorgezogen hatte.
    So war die allgemeine Stimmung, als Österreich den Krieg an Frankreich erklärte. Unser Freund CoUin dichtete für diesen Zweck seine Landwehrlieder, welche mit Musik von Weigl am Ostersonntag vor einer ge-drängten Versammlung von mehreren tausend Men-schen im Redoutensaale gesungen wurden und in welche das Publikum, wo es anging, mit voUer Seele und unter allgemeinem Jubel einstimmte. Welch ein Tag war das!^*°) Welche Stimmung unter meinen Mitbürgern, und wie — — doch ich will mir nicht selbst vor-greifen.
    Die Regimenter fingen an, sich zu rühren. Die sechs Landwehrbataillone von Wien wurden organi-siert^*^). Viele angesehenere junge Leute nahmen
    Pienste, darunter B. Steigentesch, und andere aus-gezeichnete Offiziere schätzten es sich zur Ehre, sich an die Spitze eines der Bataillone zu stellen; Graf H070S (der Oberstjägermeister) ^^^ bewaffnete seine Bergbewohner, die Untertanen seiner Güter, und zog selbst als ihr Oberst mit ihnen aus, jedes Ungemach, jede Entbehrung, jede Gefahr mit ihnen teilend. Sie begleitete als Feldkaplan ein ausgezeichneter Geist-licher, Baron Somerau-Beeckh^*^, ein Jugendbekannter von mir, mit dem ich mehr als zwanzig Jahre früher manchen Walzer getanzt hatte. Damals dachte wohl niemand an eine solche Umstaltung seiner Laufbahn; denn aus jenem fröhlichen Studentenleben trat So-merau ins MiKtär, und es vergingen mehrere Jahre, während welcher niemand — kaum seine Mutter und Schwester — etwas von ihm wui3ten. Plötzlich, kurz vor meiner Verheiratung, verbreitete sich das Gerücht, Baron Somerau habe sich dem geistlichen Stande gewidmet, und bald darauf kam er nach Wien, besuchte uns freundlich, zeichnete sich sofort in seiner neu-gewählten Laufbahn .als Seelsorger und Prediger aus, war Kaplan in mehreren Pfarren nacheinander, zog dann mit der Landwehr aus, der er als ehemaliger Militär von großem Nutzen war; erwarb sich auch in dieser Laufbahn Ehre und Achtung, wurde dann Dom-herr in Olmütz, und ist jetzt (ich schreibe dies im Dezember 1836) erwählter Fürst-Erzbischof von Ol-mütz! Per tot discrimina rerum! Nicht ohne stilles Vergnügen weilt mein Geist bei den Erinnerungen an diesen Mann, dessen Laufbahn so sonderbar, dessen Geist und

Weitere Kostenlose Bücher