Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
der Hand einer dem andern mitteilte, hatte keine Autorität und erwies sich auch früher oder später als unwahr. Das \vußte man, daß der Erzherzog Karl am jenseitigen Donau-ufer lagerte, und Erzherzog Johann in Eilmärschen nach der Schlacht von Caldiero^^^) über die steierschen Ge-birge heranzog, um dem Feinde von hier entweder in den Rücken zu fallen, oder den Umweg durch Ungarn nehmend, sich mit seinem Bruder auf dem jenseitigen Lande zu vereinigen.
So dauerte unsere bänghche Lage einige Tage fort, während welchen unser einquartierter Offizier, ein artiger, selbst ein schöner, übrigens aber unbedeuten-der Mann, uns benachrichtigte, daß wir ihren Kaiser in Schönbrunn bei einer Revue, die auf der Schmelz (den weiten Feldern zwischen Schönbrunn und der Lerchenfelder Linie) gehalten würde, sehr gut sehen könnten ^^3).
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Ich fuhr also mit meinem Schwager Kurländer und Frau von K** nach Schönbrunn. Hier, sowie wir uns durch die Allee dem Schlosse näherten, war alles voll Menschen, Wagen und Pferden, herbeigezogen wie wir durch die Neugier, den ausgezeichnetsten Mann von ganz Europa zu sehen. Mir war schmerzlich zumute, ich kann es nicht leugnen, denn mein Gemüt ertrug nur mit Widerstreben das Gefühl des Fremd-lingsjoches, und meine Erinnerungen führten mich in die Zeiten meiner schönen Kindheit und Jugend zurück, wo ich oft mit meinen Eltern hieher gekom-men war und die edlen Gestalten der Glieder unsers Herrscherhauses in diesem Schlosse, in diesen Gärten gesehen hatte. Jetzt wimmelte es im Schloßhof und vor demselben von den kaiserlich französischen Garden in den geschmackvollsten, reichsten Kostümen — ob-wohl etwas von den gewöhnlichen Formen unsers MiHtärs abweichend — Husaren z. B. in Pantalons; nie aber hatte ich auf einem verhältnismäßig kleinen Raum so viele schöne Männergestalten gesehen, als sich hier bei jedem Blicke zeigten, und es hatte das Ansehen, als wäre die Wahl bei der Aufnahme in diese Korps nach den Vorschriften eines Winckelmann oder solcher Meister bestimmt worden.
Eine gute Weile mußten wir mit unserm Wagen in der Allee halten und warten. — Endlich kam Be-wegung in die überall verstreute Menge der Zuseher sowohl als des französischen Militärs, und nun erschien eine große Schar prächtig gekleideter Offiziere zu Pferde, die aus dem Schloßhofe über die Brücke sich der Allee näherten. Sie kamen uns nahe — Gold- und Silberstickereien bedeckten die dunkeln Uniformen, Federbüsche von allen Farben schwankten auf den
reichgallonierten Hüten, Mützen, Tschakkos usw. Es war die französische Generalität, und in der Mitte der glänzenden Schar — der kleine Mann in schlichter grüner Uniform, mit dem dreieckigen kleinen Hütchen auf dem Kopfe!! Er war es — ich sah ihn ziemlich nahe, und kann mir seine Gestalt, seine Züge noch jetzt vergegenwärtigen. Da ritt er, der fremde Eroberer — der Usurpator, der Feind unserer Nation — aus dem-selben Schlosse, über dieselbe Brücke, wo so oft die verklärte Theresia, der Kaiser Josef, unser Kaiser Franz herausgefahren oder geritten waren! Mein Herz wandte sich mir in der Brust um bei diesem An-blicke, mit diesen Erinnerungen vergesellschaftet, und ich konnte mich in jener tief empörten Stimmung des Wunsches nicht erwehren, daß doch auf irgendeinem Baume dieser Allee ein Tiroler Scharfschütze ver-borgen sitzen und einen Teilsschuß auf diesen mehr als Geßler tun möchte.
Wieder vergingen einige schwergefühlte Tage auf die vorige Weise, und ein trübes Ereignis in unserm Hause diente nur dazu, den Eindruck, den unsere ganze Lage auf die Gemüter übte, zu verstärken. Ich habe schon öfters meiner verehrten Freundin und Haus-genossin, der Baronin Engelhardt, erwähnt. Ihr Ge-mahl war Oberst vom Regiment Deutschmeister. Bei Ebelsberg an der Traun, wo ein heftiges Gefecht vor-gefallen war, wurde er, wie es schien, nicht gefährhch unter dem Knie verwundet. Er ließ sich nach Wien zu seiner Frau bringen, obwohl er hierdurch, da die Feinde sogleich einrückten, ihr Kriegsgefangener wurde. Niemand glaubte hier an Gefahr für den Verwundeten, er war vielmehr sehr heiter, und seine Frau nährte schöne Hoffnungen einer frohen Zukunft. Da trat
plötzlich der Starrkrampf ein, und keine Rettung war möglich! Seine Frau hatte ihn unendlich geliebt, ihr Schmerz war grenzenlos, dennoch wußte sie ihn mit einer Kraft zu beherrschen, die uns alle in Erstaunen setzte und meine hohe Achtung für die
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