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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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würdigem Aussehen, der, als meine Mutter ihn nebst seinen drei Gefährten nicht aufnehmen wollte, weil das Haus schon überlegt war, sagte: Gardez nous toujours Madame, nous sommes des bons enfants. Und wirklich erwiesen sie sich als solche. Sie führten z. B. morgens ihre Pferde, wenn sie zur Revue sollten, am Zügel über den Hof und saßen erst vor dem Tore auf, um uns durch das Getrappel auf dem Hofpflaster nicht im Schlaf zu stören, und verhielten sich überhaupt sehr anständig. Wer weiß, auf welchen Schlachtfeldern sie nun begraben liegen? Ob sie von denen sind:
    Und die im kalten Norden Wohl unter Schnee und Eis, Und die in Welschland liegen, Wo ihnen die Erde so heiß.
    (Nächtliche Heerschau.) »93)
    Noch eines Einquartierten muß ich gedenken, der uns merkwürdig war. Ein sehr junger Leutnant, Ray-mond mit Namen, ein Zögling der polytechnischen Schule, ein wahres Kind der Revolution. Mit einem
    erstaunenswürdigen Wissen in den meisten Fächern und einer umfassenden Belesenheit in den alten Klas-sikern und in denen der neueren Zeit, verband er eine Gleichgültigkeit gegen alle äußern Formen und eine stoische Kälte gegen aUes, was ihn umgab. So bin ich überzeugt, daß er beinahe nie wußte, was er aß, weil er stets und über lauter interessante Dinge mit uns stritt und den Disput, wenn wir ihm nur ausgehalten hätten, bis zum Nachtessen fortgeführt haben würde. Als meine damals zwölfjährige Tochter, mit der er sonst jeden Mittag gegessen hatte, freilich ohne an sie einmal ein Wort zu adressieren, an der Ruhr er-krankte, welche damals der vielen Soldaten wegen epidemisch war, fragte er nie nach dem Kinde, ja, ich glaube, er hatte gar nicht bemerkt, daß sie durch viele Tage nicht am Tisch erschienen war. Auch dieser Mensch lebt wahrscheinHch nicht mehr; denn ihm standen noch die Tage an der Beresina, bei Leipzig und Hanau bevor. Friede seiner Asche! Vielleicht hätte er ihn mit seiner Gemütsart auf Erden ohnedies nicht gefunden.
    Eines Tages muß ich an dieser Stelle erwähnen, der in seiner Art merkwürdig ominös und höchst un-angenehm war: Napoleons Geburtsfestes am 15. August, an welchem allen Bewohnern Wiens geboten wurde, in der Stadt und in den Vorstädten abends ihre Fenster zu illuminieren. Eine befohlene Freudenbezeugung, die sonst ge'wiß unterblieben wäre, und uns ahnen ließ, daß gar manchmal die Zeitungen uns ein ähnliches Fest als Ausdruck der allgemeinen Volksfreude be-richtet haben mochten, das ähnlichen gebotenen Ur-sprunges war. Schon am Tage zuvor ereignete sich ein schreckender Zufall, herbeigeführt durch die Prä-
    parativen zu dem sehr brillanten Feuerwerk, das den folgenden Abend in den Donauinseln statthaben sollte, und zwar durch den Leichtsinn der Franzosen, Auf der Schöttenbastei, nicht weit von dem kaiserlichen Zeug-hause, hatten sie eine Hütte errichtet, in welcher sie die Zubehör zu dem Feuerwerk bereiteten, und, sowie uns unsere einquartierten Offiziere selbst erzählten, mit dem Pulver höchst unvorsichtig umgingen. Da ge-schah nun am Vormittag des Vorabends eine heftige Explosion, die Hütte sprang in die Luft, mehrere Ar-beiter wurden getötet, und nicht ohne Grund fürchtete man Gefahr für das Zeughaus, in dem viele gefüllte Bomben lagen, und somit für die ganze Stadt^®*).
    Ominös schien uns Wienern diese Vorbereitung zur Feier des Geburtstages unsers Drängers, aber es war uns befohlen, uns zu freuen, und so stellte denn jeder-mann einige Kerzen vor die Fenster. In der Stadt waren selbst einige Transparente mit — ich erinnere mich nicht mehr — welchen Vorstellungen oder Sinn-bildern zu schauen. Nur eines schien mir sehr merk-würdig, das sich, wenn ich nicht irre, in einer von den, in die Kärntner- oder Bischofsstraße ausmündenden Gassen bei einem kleinen Krämer fand. Es war ein mäßig großes Transparent mit folgenden Zeilen:
    Zur
    Weihe
    An
    Napoleons
    GeburtS
    FEST.
    und hieß eigentHch, wenn man die großen, mit anderer Farbe gezeichneten Buchstaben zusammen las: ZWANGSFEST. — Ein köstlicher Einfall! Er ent-hielt keine Schmähung über den Dränger, und drückte
    doch die Stimmung dieses Mannes, welche wohl die allermeisten Bewohner Wiens mit ihm teilten, auf sehr sinnreiche Weise aus^*^).
    Eine Marter eigener Art begann nun für uns Öster-reicher, die mit warmen Herzen an unserm Kaiser-haus und Vaterland hingen, und das waren die suk-zessiven Nachrichten und Erzählungen von den Friedensartikeln, welche jetzt, da nach der

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