Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Beruhigung, daß auf den Dächern des Universal-spitales, Findelhauses usw. schwarze Sicherheitsfahnen aufgesteckt "Waren, um diese frommen Anstalten vor den feindlichen sowohl als freundlichen Kugeln zu schirmen; denn das durften wir unsern Siegern wohl
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zutrauen, daß sie solche Häwser, welche der leidenden oder der hilflosen Menschheit gewidmet waren, re-spektieren würden. Und sie taten es auch bei jeder Gelegenheit, sowie sie sich, als sie später die Stadt schon besetzt hatten, bei Unordnungen willig und ge-horsam von unserer Bürgergarde arretieren Heßen, und so manchen „Staberl" als das Organ der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ehrten. Das sind eben die zwar seltenen, aber erfreulichen Züge, an denen der unparteiische Beobachter das langsame, aber sichere Vorrücken der echten Sittigung wahrnehmen kann. Gegen 8 Uhr überraschte uns, und wahrlich nicht ganz angenehm, die unerwartete Nachricht, daß die Stadt übergeben sei und die Franzosen sogleich Besitz davon nehmen würden ^'^). So waren denn alle die An-strengungen, so manches Leben, welches für die Idee der Stadtverteidigung gefallen war, so viele Vorberei-tungen und Entschlüsse vergeblich — und das ganze eigentlich eine leere Ostentation gewesen! Da hätte man nicht bedurft, die Einwohner zu schrecken, sie so manchen Plackereien zu unterwerfen, so manches Haus den Flammen zu überliefern, so vieler Menschen Ge-sundheit und Leben, die in der Nacht des Bombarde-ments gelitten, aufs Spiel zu setzen, wenn der Wider-stand nicht länger als 24 Stunden dauern sollte. Wohl hatte die Vorstellung einer längern Belagerung und dessen, was die Vorstädte hätte betreffen können, viel Furchtbares für uns; aber vieles, was nur im ersten AugenbHck schreckte, war schon überwunden, vieles hätte die Notwendigkeit ertragen gelehrt, zu vielem war ja jeder Österreicher freudig entschlossen, wenn es das Wohl des Vaterlandes galt, um den Feind auf-' zuhalten und dem geliebten Erzherzog Karl die Mög-
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lichkeit zu verschaffen, sich mit seiner Armee von der Nordseite her der Donau zu nähern und vielleicht der bedrängten Stadt glorreichen Entsatz zu bringen. Was hätte man nicht gern dafür ausgestanden?
Das war nun alles vorbei! Von dem Bombardement, von dem Abdecken unserer Häuser und dem Aufführen des Geschützes — waren wir befreit. Kein Bürgerblut brauchte mehr vergossen zu werden; aber das Ganze, so wohltätig und schonend es aussah, mißfiel doch den meisten.
Die Verbindung mit der innern Stadt war nun er-öffnet, die feindlichen Truppen zeigten sich hier und dort und wurden nicht aufs beste empfangen, wie denn einer ihrer Offiziere, und was die Sache schlimmer machte, ein Parlamentär oder sonst Beauftragter auf der Laimgrube vom Pöbel mißhandelt und schwer ver-wundet wurde; denn der Haß gegen die Franzosen war ungemein groß unter dem Volke und früher geflissent-lich genährt worden ^^°).
Nun rückten die feindlichen Scharen förmlich ein, und die Einquartierungen nahmen ihren Anfang. Der erste Besuch derselben im Jahre 1805 hatte uns mit der Idee, dergleichen Gäste aufnehmen zu müssen, ver-trauter, und ihr anständiges Betragen sie erträglicher gemacht. Aber nun trat eine andere Bedrängnis ein. Der Hof hatte sich samt allen Kanzleien, Schätzen, Kassen usw. nach Ungarn begeben, und mit Öster-reich, als einem vom Feinde besetzten Lande, sollte aller Verkehr aufhören. Wir wurden also von Ungarn, woher die Hauptstadt den größten Teil ihres Lebens-unterhaltes bezogen hatte und noch bezieht, ab-gesperrt. — Nun brach der Mangel an Brot, Fleisch usw. sogleich aus. An den Bäckerladen standen die
Kunden oft halbe Nächte lang, um am Morgen, 50 wie geöffnet wurde, wenn auch -selten ihren ganzen Be-darf, doch wenigstens einen Teil davon zu erhalten, und bei diesen drückenden Umständen hatte jede Haus-haltung beinahe noch einige fremde und oft sehr fordernde Gäste an ihren Einquartierten zu bewirten ^*i). Noch schmerzlicher indes als diese leiblichen Ent-behrungen drückte uns alle der Mangel an zuverläs-sigen Nachrichten von dem öffentlichen Stande der Dingej von dem, was unsere Armeen machten, wo sie standen, wie es den beiden Erzherzogen Karl und Johann erging, was wir für unser Geschick in diesen so wichtigen. Verhältnissen zu hoffen oder zu fürchten hatten ? Mit eifersüchtiger Strenge vnißten die Feinde, die uns unter ihren eisernen Krallen hielten, jede Nach-richt abzuhalten, und was unter
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