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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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ihre Schüsse ziemUch nahe; die Tore der Stadt wurden gesperrt, unsere Bürgerregimenter marschierten auf die WäUe und bedienten das Geschütz. Wie in der letzten türkischen Belagerung geschah der Angriff von Seite der ungarischen Garde und der k. k. Stallungen gegen die Burgbastei und den kaiserlichen Palast. Hier stand einer unserer Freunde, der Haupt-mann beim zweiten Bürgerregiment, Barchetti, ein schöner, junger Mann mit seiner Kompagnie. Eine französische Kugel riß ihm den Schenkel weg, er wurde in die Stadt hinabtransportiert, sein Bruder (der jetzige Gubernialrat) geholt; er starb aber noch diese Nacht — vielleicht nebst wenigen Unbekannten das einzige Opfer von Bedeutung, welches diese Beschießung gekostet hatte; denn er war ein hoffnungsvoller Mann in der Blüte seiner Jahre und Vater von mehreren Kindern"').
    Am Abend wurde das Schießen von beiden Seiten stärker. Lange bewahrten die Mauern der k. k. Stal-lungen die Spuren mancher Kugeln, welche von der befreundeten Stadt hinaus auf die Vorstädte flogen. Mit dem Einbruch der Nacht schien die Beschießung der Stadt ernstlich zu werden, und in dem Maße, wie die Schüsse näher, dichter fielen, wuchsen natürHcher-weise unsere Besorgnisse. Man berichtete uns, daß wir vom Garten aus die Richtung und den Weg der Kugeln
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    sehen könnten. — Wir eilten in das Zimmer, welches in den Garten sieht, und das uns, freilich hinter Bäumen und von andern nähern Gebäuden versteckt; dennoch ziemlich richtig die Lage der Vorstädte, in denen die Franzosen mit ihrem Geschütze standen, und die Gegend der Stadt beurteilen ließ, wohin sie ihre Schüsse richte-ten, und woher die der unserigen kamen. Mit bangem Mute standen wir, Frau von K**, der jüngere Kur-länder, ich und mein Mann, am Gartenfenster da, und sahen von der rechten Seite herein (von der Gegend des Spittelberges) die Haubitzen der Franzosen als weißglänzende zitternde Schlangen in fast horizontaler Bewegung gegen die Stadt hinfliegen — furchtbare Vögel, die Graus und Flammen dahintrugen, wo sie hintrafen, während aus der Stadt linksherüber in maje-stätischem Bogen rotlodernde Bomben si^h erhoben und sich auf die, vom Feinde besetzte Gegend herab-senkten. Das Krachen, der Donner des eifrig spielen-den Geschützes, das in solcher Nähe auch bald uns selbst zu erreichen drohte, hatte schon an und für sich etwas sehr Beängstigendes; noch beängstigender aber war es für uns, als wir rechts hinüber, also in der be-freundeten Stadt, eine Lohe um die andere auflodern sahen und unsere Phantasie freien Spielraum hatte, sich jeden oder jede unserer liebsten Freunde jetzt in Feuers- oder Lebensgefahr zu denken! Es war eine furchtbare Nacht — durch die Menschen dazu ge-macht! während der Garten mit seinen Blumen und Bäumen, vom hellen Monde beglänzt, im tiefsten Frieden der Natur vor uns lag"^)!
    Pichler ging mit einer Seelenruhe, die ich mir wohl wünschen, aber nicht erlangen konnte, gegen zwölf Uhr von uns weg, legte sich zu Bette und schlief richtig
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    während des Kanonendonners, der bis gegen drei Uhr morgens währte, ruhig ein. Wir übrigen brachten diese Stunden wach und in großer Unruhe zu, und ich stieg mehr als einmal zu meiner verehrten Nachbarin, der Baronin von Engelhardt hinauf, um bei ihr, die als sehr gescheite Frau, als Gemahlin eines Militärs, und welche die Belagerung von Mainz mitgemacht hatte, mir gänzlich Unerfahrenen zu Rat und Trost sein konnte. Aber Trost gaben mir ihre Reden nicht, vielmehr gingen aus denselben größere Besorgnisse hervor; denn es wurde mir klar, daß die heutige Nacht nur erst der Anfang bedrängterer Tage sein könne. Endlich hörte der Kanonendonner auf, ich legte mich zu Bette und schhef ein paar Stunden. Als ich nach sechs Uhr in den Garten hinabging, und unserm alten Gärtner, der in seiner Jugend Kanonier gewesen war, von den Schrecken dieser Nacht sprechen wollte, sagte der alte Soldat ganz ruhig: Gnädige Frau! Das wird und muß noch ganz anders kommen. Jetzt werden die Franzosen die Dächer der nächsten Häuser am Glacis abdecken und die Kanonen dort hinaufpflanzen, dann wird das Schießen erst recht angehen. Des Mannes Meinung traf zu genau mit dem zusammen, was meine Freundin mir in der Nacht gesagt hatte, um mir nicht die lebhafteste Angst einzuflößen.
    Indessen — kein Schuß ließ sich mehr weder aus der Stadt noch aus der Vorstadt vernehmen, und wie wir uns auf der Gasse umsahen, bemerkten wir zu un-serer

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