Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
werden können.
    Darauf erging unterm 30. Juni 1844von Sedlnitzky an Hölzl die Weisung, daß er die Eingabe zur Kenntnis nehme, obwohl die Entschuldigung Deinhardsteins kei-neswegs genügend sei. Gleichzeitig forderte er Hölzl auf, dafür Sorge zu tragen, daß bei einer etwaigen Neuauf-lage die beanständeten Stellen „sicher und unfehlbar" weggelassen werden und fuhr fort: „Zugleich finde ich mich durch den gegenwärtigen Anlaß zu der Bestim-mung bewogen, daß in Manuskripten alle Stellen, wel-che einzelne darin namhaft gemachte Familien betref-fen, wenn diese Stellen nicht ohnehin so geartet sind, daß sie wegen ihrer Anstößigkeit in Censurbeziehung schon an und für sich gestrichen werden müssen, jeder-zeit anher zu exhibieren sind." Damit war dieser für die österreichische Zensur charakteristische Fall erledigt. Aus einer Kleinigkeit, die im übrigen vollständig richtig dargestellt war, wurde eine Staatsaffäre gemacht. We-gen eines echten Aristokraten, der an seiner Braut ehr-lich und anständig gehandelt hatte, wurde so viel Papier verschrieben und so viel Geist in Bewegung gesetzt,weil' sein Schwiegersohn nichtwollte, daß eine ehrliche Hand-lung der Öffentlichkeit bekannt werde. Es ist nur schade, daß man den himmlichen Behörden von selten Sedl-nitzkys nicht die Weisung erteilte, die gutmütige Fichler zur Abbitte zu verhalten.
    Lxxn
    Ein hervorstechendes Kennzeichen der „Denkwür-digkeiten", das schon der Merkwürdigkeit halber nicht übergangen werden soll, ist, daß die Pichler der Mu-siker, mit denen sie vielfach verkehrte, wie Beethoven, Haydn, Mozart, Schubert u. a., nur ganz kurz gedenkt, worüber sich bereits A. W. Thayer aufhielti). Diese Nichtbeachtung der Tondichter hängt damit zusammen, daß die musikahsche Begabung von der Pichler nur als etwas Einseitiges betrachtet und daher die Musiker von ihr nicht als gleichwertige Gesellschaftsmenschen angesehen wurden (I, S. 282, 293f.).
    KaroHne Pichlers „Denkwürdigkeiten" sind, wie ja schon früher (oben S. XL! f.) auseinandergesetzt wurde, ein Alters werk. Man wollte an ihnen etwas „Großmutter-haftes" finden^) und vergaß dabei ganz und gar, daß alle älteren Leute bei ihren Erzählungen gern etwas breiter werden, Reflexionen, aus ihrer reichen Lebenserfahrung heraus, einstreuen, zu lehrhaften Auseinandersetzungen neigen und hie und da, das Gedächtnis läßt sie ja viel-fach im Stiche, Wiederholungen nicht vermeiden kön-nen^). Was wir von dieser Art bei der Pichler finden, das fällt uns ja auch in Goethes „Dichtung und Wahrheit", ebenfalls einem Alterswerk, auf*). Dafür entschädigt uns aber hier wie dort die klare, ruhige Sprache und die ab-geklärte Form. Wenn man Goethes Doppeltitel seiner Selbstbiographie dahin auslegen wollte^), daß dieDich-
    1) Ludwig van Beethovens Leben. 2 n. (Leipzig 1910), S. 131. • '
    2) Nagl-Zeidler, a. a. O., S. 735.
    3) Wiederholungen enthalten die „DenWürdigkeiten" nur wenige, vgL II, S. 540: 364.3; 587: 501 (Lenau und Tieck).
    *) K. Alt, a. a. O., S. 86.
    5) Karl Kochendörffer, Preußische Jahrbücher LXVL (BerHn 1890), S. 542.
    tung auf die Form, die Wahrheit auf den Inhalt hin-ziele, daß also das Dichterische in ihr in der Darstellung, dem harmonischen Aufbau und der feinen Gliederung der Erzählung liege, so könnte man auch Pichlers „Denk-würdigkeiten" mit dem Ausdrucke „Dichtung" belegen. Denn nicht nur die Begebenheiten ihres Lebens, son-dern auch die zahlreichen weltgeschichtlichen Ereignisse ihrer Zeit, deren Zeuge sie vielfach war, hat sie mit ihrem klaren und ordnenden Geist, nachdem sie die not-wendige Fernstellung durch Zeit und Raum gewonnen hatte (II, S. 119), in fesselnder Form zur Darstellung gebracht, manch heiteren, belebenden Zug eingefloch-ten und dies alles in klarer, ruhiger und wohlgesetzter Sprache vorgetragen.
    Daß ihre „Denkwürdigkeiten" in mehr als einem Zug die Frau verraten, daß die Frauenart und das Mütter-liche der Frau vielfach zum Durchbruche gelangen,wird man ihr, wie auch Amalie v. Groß schon 1844 richtig hervorhob (unten S.LXXVIII), nicht ernstlich verübeln können. Denn wenn es dem Manne geziemt, von Waffen-taten und großen Ereignissen, die sich außer dem Kreise der engsten Familie zutrugen, zu erzählen, dann wird man von der Frau verlangen müssen, daß sie in Ergän-zung dazu von jenem engen Kreise, aus dem der Mann hinausgewachsen ist, in dem sich aber nicht nur ihr Glück, sondern vielfach auch seines abspielt, ebenfalls

Weitere Kostenlose Bücher