Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Pichler nicht freundüch gesinnt war (vgl. II, Anm. 437f.), lobte ihn 1836 noch, da er ja selbst zu dieser Zeit be-reits Reaktionär war, aber im gleichen Jahre äußerte sich J. Seid-litz (Jeitteles) dahin, daß er heute nur mehr als Bekenntnis einer Christin Aufsehen erregen würde. Heinrich Laube degradierte ihn 1840 zur Damenunterhaltung und 1861 nannte ihn Rudolf von Gottschall einen „FamiUenroman zur Erbauung edler Ge-müter", der zwar einzelne treffliche Reflexionen und eine gute Technik aufweise, der aber im ganzen genommen doch nichts anderes als „eine erbauliche Vorlesung mit verteilten Rollen, ein apologetischer Brief dialog, keine geschichtliche Theodicee" sei (vgl. die Zusammenstellung all dieser Urteile bei Wurzbach XXII, S. 25if.).
552^ Friedrich von Schlegel (1772—1829) traf von Dresden aus am 22. Juni 1808 in Wien ein und stieg Landstraße Nr. 213 ab (Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat. Wien
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i8o8. S. 126); seine Frau folgte ihm am 31. Oktober (F. Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie XXXI, S. 375), — Ursprüng-lich für den Handelsstand bestimmt, ging er 1788 zur Wissen-schaft über und hielt bereits 1800/1801 in Jena philosophische Vorlesungen. Er suchte die einzelnen Dichter als nationale Er-scheinungen aufzufassen, die in ihrem Volke und ihrer Zeit wur-zeln, und schuf mit seiner „Lucinde" die Sinnlichkeitsphilosophie der Romantik. 1802 zog er mit Dorothea Veit nach Paris, eheUchte sie dort, kam über Köln und Dresden 1808 nach Wien, nachdem er KathoÜk geworden, erhielt in Wien eine diplomatische An-stellung (vgl. Anm. 557), nahm am Kriege des Jahres 1809 im Hauptquartiere teil, verfaßte die meisten Proklamationen, gab 1810 den „Österreichischen Beobachter" heraus (Anm. 558) und wurde Oktober 1815 österreichischer Legationsrat beim Bundes-tag in Frankfurt a. M. 1818 nach Wien zurückgekehrt, redigierte er seine Schriften und arbeitete an kritischen Aufsätzen, auch hielt er Vorlesungen (Wien 1828). Während einer solchen starb er im Januar 1829 in Dresden (vgl. auch II, S. 246). Vgl. Goedeke VI, S. I7ff. — Durch 5 Jahre Karolinens Hausgenosse (oben II, S. 171, 181) hatte Schlegel mannigfache Beziehungen zur Pichler. Nicht nur, daß sie seine Wiener Vorlesungen 1812 und 1828 be-suchte (oben S. 387, 415; II, S. 347!.), teilweise auch in ihrem Ferdinand II. berücksichtigte (II, S. 25), seinen etwas seltsamen Alarcos las und zitierte (oben S. 302; II, 281 f.), seine berüchtigte Lucinde vornahm (oben S. 302, 327), wiederholt in seiner Gesell-schaft, sei es in seinem, in ihrem (II, S. 185) oder in Frau von Matts Haus (oben S. 409) war, sondern sie schrieb, obwohl sie ihn als Dichter unproduktiv fand (oben S. 301), für seinen „Beobach-ter" (unten Anm. 558) und für sein „Deutsches Museum" (4 Bde. Wien 1812, 1813: Goedeke VI, S. 24ff.; H. H. Houben, Zeit-schriften der Romantik. Berlin 1904. Sp. 216ff.) Aufsätze und zwar:
I. (Wien 1812), S. loiff.: Johann Hunniady Corvin (Gedicht = S. W.2 XVI, S. 228 ff.). Vgl. noch Anm. 678 c, a. — III. (Wien 1813), S. i4off.: Scenen aus dem Trauerspiel Germanicus (II. Akt, Sz. 5; IV. Akt, Sz. 1,2). Vgl. Anm. 682. — IV. (Wien 1813), S. 175f.: Vor dem Gemähide des Herrn Peter, in der Kunstaus-stellung der k. k. Akademie zu Wien: Kaiser Maximilian der Erste, wie er seine Braut, Maria von Burgund, zu Gent empfängt (2 So-nette = S. W.2 XVI, S. 95 f.). Vgl. Anm. 67%^, a.
^ Lucinde. Ein "Roman von Friedrich Schlegel. Erster (ein-ziger) Theil. Berlin 1799. Das Buch löste eine große Anzahl Schriften für und wider und Nathahmungen aus (Goedeke VI, S. 2if., Nr. 20). Die darin gepredigte freie Liebe erregte Auf-sehen (vgl. noch oben S. 302).
"*) Dorothea Schlegel (1763—1839), die Tochter des Philo-sophen Moses Mendelssohn, heiratete frühzeitig (1778) den Kauf-mann Simon Veit, verließ ihn aber 1798 Friedrich Schlegels wegen den sie 1804 in Paris heiratete und mit dem sie in Paris, Köln und Wien lebte. Sie war über den Protestantismus (1804) 1808 Katholikin geworden. Von i8o8—1830 (September) weilte sie mit Ausnahme zweier Jahre (April 1818 bis Juli 1820), die sie in Rom bei ihrem Sohne Philipp Veit verbrachte, in Wien, still und fromm, in angenehmer Häuslichkeit. Sie versammelte in ihrem Hause die Spitzen der geistigen Aristokratie und unterhielt zu dem Klemens Hoffbauer-Kreis rege Beziehungen. Die Schriftstellerei, die sie früher gepflegt (vgl. auch II, S. 183), übte sie nicht mehr aus,
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