Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
gehen, wie es den Moderantisten überall ergeht — sie stoßen bei jeder Partei an und befriedigen keine" (ebd. S. 405)., Ihr Plan war, da ihr Mystik ebenso widerstrebte wie Ver-standeskälte, „die geoffenbarte Religion ohne Mystizismus in ihrer pathetischen, moralischen und segenreichen Größe darzustellen, den Einfluß zu schildern, den sie auf die Menschheit hatte, das Charakteristische, wodurch sie sich von der heidnischen auszeich-net," darzulegen, obwohl sie im voraus wußte, „daß die Mystiker mich viel zu kalt und die Vernunftmenschen mich viel zu närrisch finden werden" (ebd. S. 405). Im Mai 1808 lag der Agathokles endlich gedruckt vor (ebd. S. 409) und die Kritik bemächtigte sich seiner.
Eine der eingehendsten Rezensionen erschien 1809 anonym (Annalen der Literatur und Kunst in dem österreichischen Kaiser-thume. Wien 1809. I, S. 90 ff.). Diese bezeichnete die Idee, einzelne Menscliengeschicke in eine große Zeit zu stellen und in deren Leben auf historischem Hintergrunde gleichsam das Leben der ganzen Zeit zu schildern, als eine glückliche. Die Notwendigkeit der christlichen Religion soll gezeigt werden, also- liege ein Ver-standeszweck vor, aber da die Religion pache des Herzens sei, so verbinde sich der poetische Zweck sogleich damit. Der Dichterin ist es gelungen, die Heilsamkeit des Christentums anschaulich zu machen, wobei sie gute und edle Christen schildert. Die Personen sind bis auf Konstantin erdichtet, und letzterer in seinem Charakter trefflich gezeichnet. Auch Agathokles, in dessen Wesen Vernunft und Gefühl in schönem Bunde stehen, ist gut gedacht und durch-geführt. Dem Kritiker scheinen zu viele Liebschaften im Romane zu sein, und der überflüssigsten eine die Episode von Florianus und Valeria (S. 92), die ja tatsächlich (vgl. oben) nur einem Zufall
ihre Aufnahme verdankte. Larissa fesselt, „nur sollte sie in der Todesstunde ihres Mannes nicht platonisieren"; neben Larissa ge-fällt Junia Marcella dem Rezensenten am besten. Die Ereignisse haben größtenteils Wahrscheinlichkeit für sich, die Handlungen und Begebenheiten sind „gut ineinander verschlungen und die Entwicklung geht mit Ordnung und Klarheit vor sich", so daß das Werk „von einem verständigen, kunsterfahrnen Geist" zeuge. Die Briefform war am Platze, nur läßt sich in ihr das Bild der alten Zeit nicht rein ausprägen. Die Sprache ist rein und schön, den einzelnen Charakteren entsprechend. Die Briefe der Larissa sind besonders durch ihre Verbindung von Naturschilderung mit Gemütsstlmmung gelungen.
Allmählich setzte sich „Agathokles" durch. L. L. Haschka war begeistert davon und schrieb seinem Freunde Reinhold (12. No-vember 1808: Robert Keil, Wiener Freunde 1784—1808. Wien 1883. S. 98): „Und nun werde ich Dir ein Buch nennen, zwar nur einen Roman, zwar nur von einer Frau geschrieben, den aber gelesen zu haben, sich ein Mann von meinem Alter und ein Philo-soph von Deinem Range nicht nur allein nicht schämen darf, son-dern sich sogar rühmen mag: es ist Agathokles . . ." Goethe, wenn auch gegen die Tendenz und betreffs der Frauen Larissa und Calpurnia anderer Meinung, versagte seine Anerkennung nicht (oben S. 393 f. mit Anm. 673). August Graf von Platen-Haller-münde schrieb 1813 in sein Tagebuch (Die Tagebücher des Grafen August von Platen. Herausgegeben von G. v. Laubmann und L. v. Scheffler I [Stuttgart 1896], S.77) folgende bemerkenswerte Worte: „Ich habe heute den ,Agathokles' der Karoline Pichler gekauft. Wenn ein Roman in Hinsicht auf Inhalt, Ausführung, Moralität und Darstellung gerühmt zu werden verdient, so ist es dieser. Der Stil hat alle Vorzüge. Die Verfasserin weiß uns noch dadurch be-sonders an das Interesse ihres Helden zu fesseln, da die Größe seiner Tat noch durch die Folgen erhöht wird, deren wohltätige Wirkung gleichsam auf uns noch übergeht. Die einfach richtige Entwickelung des Lebens der Alten, die Gegeneinanderstellung zweier weiblicher Charaktere, mit so viel Feinheit und Menschen-kenntnis gezeichnet und die reine, christliche Moral, die das Ganze durchzieht, sind große Vorzüge dieses Buches. Die Briefform wird für den Roman immer die beste bleiben, da sie uns in das Innerste des Herzens sehen läßt und wir die handelnden Charaktere besser erkennen, als in der weitläufigsten Schilderung des erzählenden Stils." Heinrich von Collin ist voll des Lobes (vgl. Anm. 436).
„Agathokles" wurde Pichlers berühmtester Roman. Madame Montolieu übersetzte bzw.
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