Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
sondern widmete sich ganz der Häuslichkeit, was die Pichler be-sonders an ihr zu loben fand (oben II, S. iSzf., 189^), und der Liebe zu ihrem Gatten, der ihr aber nicht immer Treue mit Treue vergalt (oben II, S. 182; Pichler, S. W.2 LIII, S. 231, 232). Sie kränkelte auch wiederholt. Nach dem Tode ihres Gatten (11. Ja-nuar 1829), der ihr sehr nahe ging (oben II, S. 248 f.), übersiedelte sie September 1830 zu ihrem Sohn Philipp Veit nach Frank-furt a. M., wo sie ihre Tage beschloß. Sie war in Wien eine heitere, hingebende, gütige, unschöne, aber geistreiche Frau, die mit der sinnlich leidenschaftlichen „Lucinde" eigentlich nichts mehr zu tun hatte. Vgl. Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Bio-graphie XXXI, S. 372ff.; Goedeke VI, S. 27f.; S. Hensel, Die Familie Mendelssohn. I ^° (Berlin 1900), S. 42ff. (mit manchen irrigen Daten); Ludwig Geiger, Dichter und Frauen I (Berlin 1896), S. 128 ff. Über Dorothea Schlegel in Wien handelt eingehender, wobei auch K. Pichler benützt wird, Margareta Hiemenz (Dorothea V. Schlegel, Freiburg i. B. 1911. S. 109ff.).
556) Der Mediziner Karl Friedrich Burdach schildert 1810 Fried-rich Schlegel mit (Rückblick auf mein Leben. Leipzig 1848. S. 43): „fettes, glänzendes Gesicht mit der pfäffischen Salbung, von wel-cher er zu triefen schien." Das stark Einseitige für religiöse Meinun-gen hebt 181 1 auch Wilhelm von Humboldt an Friedrich von Schlegel hervor (Ansichten über Ästhetik und Literatur. Heraus-^gegeben von F. Jonas. Berlin 1880. S. 124), doch spricht er ihm Tiefe und Originalität zu, während er an Wilhelm August Schlegel, der in allem um die Sache herumgeht, den Mangel an Tiefe und Originalität festlegt. Nach Haschka (Robert Keil, Wiener Freunde 1784—1808. Wien 1883. S. 102) gebärdete sichWilhehn in Gesell-schaft vornehm, einsilbig, absprechend und pedantisch, während Friedrich Schlegel (S. 103), den Karl Friedrich Freiherr Kübeck-von Kübau (Tagebücher I [Wien 1909], S. 271) bis 1809 für einen sinnlichen und feigen Menschen hielt, dem er aber später ein
Ringen nach Überzeugung und Wahrheit zubilligt, als gesetzt, anspruchslos und wirklich gründlicher und vielseitiger Gelehrter hingestellt wird, der „seine Meinung offen und frei, ohne Dreistig-keit, ohne Rechthaberei, ohne irgendeine Zudringlichkeit" sagt. Haschka sagt weiter: „In meinem Leben hätte ich in diesem ernsten, ordentlichen, gesitteten Menschen nicht den Verfasser der Lucinde vermutet." Eine Charakteristik beider Brüder, die mit der obigen (S, 312 und Szyf.) übereinstimmt, gibt K, Pichler bereits früher in ihrem Nekrolog der Dorothea Schlegel (S. W.^ LIII, S.224f.).
556^ Eine ganz ähnliche Charakteristik der Dorothea v. Schlegel entwarf Karoline Pichler im Nekrolog auf sie (S. W.^ LIII, S. 225 f.). Auch deren gesellschaftliche Talente (oben S. 329) hob sie in diesem Aufsatze bereits gehörig hervor (S. W.^ LIII, S. 227) und gelangte zum Schlüsse, daß Frau Schlegel „die liebenswürdigste Frau vom Hause war, die man finden kann". Karoline Pichler war Dorothea in langjähriger, aufrichtiger Freundschaft zugetan, trotzdem diese eine norddeutsche Frau und Schriftstellerin war (II, S. 28), die Karoline sonst haßte, denn Dorothea hatte den großen Reiz der Häuslichkeit, den Karoline so sehr liebte, an sich. (II, S. 189f.; S. W.2 LIII, S. 227f.), und war ihr völlig gleichgesinnt (oben S. 402). Auch Dorotheas frommer Sinn zog sie an, und als Karo-linens Tochter 1824 nach Prag übersiedelt war und Schlegels in Pichlers Haus einzogen,"da klammerte sich Karoline mit ganzer Seele an Dorothea, die ihr Trost zusprach, verbrachte beinahe jeden Abend bei ihr und lernte sie nun völlig kennen und verstehen (II, S. 181, i82f., 221; S. W.2 LIII, S. 229f.). Schon 1811 hatte Dorothea den Sommer in Karolinens Nähe verbracht (oben S. 381, 382; S. W.* LIII, S. 229) und waren hier beide einander nahe-gekommen. Nach ■ Friedrich Schlegels Tod (Januar 1829) über-siedelte Dorothea zu Klinkowström (II, S. 251 mit Anm. 424) und im September 1830 zu ihrem Sohne Philipp Veit nach Frankfurt. Ein Briefwechsel zwischen Karoline und Dorothea entspann sich, und als letztere 1839 starb, da erhielt erstere, die dieser einen war-men Nachruf widmete (II, Anm. 311), testamentarisch Dorotheas Kommunionbuch (Pichler, S. W.^ LIII, S. 223).
^^) Friedrich von Schlegel, seit dem Sommer 1808 in der Staats-kanzlei in Preßangelegenheiten beschäftigt, wurde am 28. März 1809 zum Hofsekretär in der Staatskanzlei
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