Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Pichler (S. 4i4f.) äußert sich auch Wilhelm Humboldt in einem Briefe vom i. Juli 1812 über die Vorlesungen Friedrich Schlegels und Adam Müllers (Ansichten über Ästhetik und Literatur. Herausgegeben von F. Jonas. Berlin 1880. S. 131); er sagt, daß diese Vorlesungen eine sophistische Rhetorik, die einseitig Philosophie und Kunst in eine bestimmte Form zwingen wollte, auszeichnete, wobei sich Schlegel durch die Kraft der Gedanken, Müller durch die künst-liche Behandlung der Sprache hervortat. Überhaupt schätzt Humboldt (a. a. O. S. 124) Müller nicht tief ein, da dieser kein gründlicher Erforscher der Gegenstände ist. Theodor Körner äußert sich in einem Brief an seinen Vater vom 24. Mai 1812 (Augusta Weldler-Steinberg, Theodor Kömers Briefwechsel mit den Seinen. Leipzig 1910. S. 191) über diese Vorlesungen, die angingen und worin Müller Schiller nicht als Dichter, sondern nur als ersten Redner gelten ließ, folgendermaßen: „Noch dieselbe Oberflächlichkeit, Geziertheit, künstliche und gewählte, aber nicht minder interessante Art zu sprechen." Dorothea Schlegel (Raich II, S. 79f., 88) ist. von diesen Vorlesungen, die sie als „Nachlesungen" bezeichnet, nicht sehr erbaut, da sie den Eindruck der Vorlesungen ihres Mannes verwischten; sie berichtet, daß Erzherzog Maximilian, Prinz von Ligne u. a. anwesend waren und Müller viele Dukaten und Geschenke erhielt. — Das Schlegelsche Journal, für das Adam Müller damals schrieb, war das „Deutsche Museum" (vgl. H. H. Houben, Zeitschriften der Romantik. Berlin 1904. Sp. 2i6ff., besonders 461a sub Müller; Johannes Bobeth, Die Zeitschriften der Romantik. Leipzig 1911. S. 423 Reg.), in das auch Karoline Pichler zweimal Aufsätze gab (Bobeth, S. 277; oben Anm. 552).
'13) Heinrich von Kleist hatte durch Adam Müller, mit dem er vom Oktober bis Dezember 1810 in Berlin die Berliner Abend-blätter herausgegeben hatte, die hysterische Frau Henriette Vogel in Berlin kennen gelernt, die glaubte, sie sei unheilbar erkrankt und sich deshalb töten wollte. Nachdem ihr Kleist einst ver-sprochen hatte, ihr den größten Freundschaftsdienst zu leisten, 60 verlangte sie, daß er sie töte. Kleist tat dies und erschoß seine Freundin und sich am 21. November 1811 am Ufer des Wannsees bei Berlin. Vgl. Felix Bamberg in: Allgemeine Deutsche Bio-graphie XVI, S. 14s ff.
'i^a) Schon 1812 war ein großer Teil der Bevölkerung dagegen, daß man Napoleon gegen Rußland Hilfe leiste und wollte, daß man an Napoleon den Krieg erkläre, ein Ziel, das auch der „Alpen-bund" verfocht. Als dieser im März 1813 sein jähes Ende fand, da war die Kriegspartei, soweit die oberen Schichten in Betracht kamen, vernichtet, aber das niedere Volk zeigte seinen Haß gegen Napoleon offen. Als es im April hieß, Metternich habe eine neue Allianz mit Napoleon geschlossen, da brach in Wien in allen Schichten die Leidenschaft aus und es kam zu erregten Auftritten gegen Metternich. Die Regierung wirkte beruhigend und auf-klärend durch ihre Agenten. Nun schlug aber im Juni die Stim-mung vollständig um, denn als die Kriegsvorbereitungen getroffen wurden, da war völlige Mutlosigkeit, und die Regierung mußte diese durch patriotische Broschüren bekämpfen. Man lehnte den Fürsten Schwarzenberg als Oberkommandanten ab und wollte als solchen Erzherzog Karl (vgl. auch oben S. 431). Die drückende Ungewißheit und Angst hörte mit der Veröffentlichung des Kriegs-manifestes am 19. August (nicht am 17. August, wie es oben S. 420 heißt) auf, das begeisternd wirkte. Vgl. Ed. Wertheimer, Wien und das Kriegsjahr 1813. Wien 1893. S. loff.
'") Die Schlacht bei Großgörschen (bei Lützen) fand am 2. Mai, die bei Bautzen am 20. und 21. Mai zwischen den Preußen und Franzosen statt. In beiden behaupteten letztere, wenn auch mit großen Verlusten, das Feld.
'1^) Henriette Ephraim, eine Tochter der Rebekka Ephraim (II, Anm. 427), geboren in Berlin, scheint lange ledig geblieben zu sein. Sie konvertierte zum katholischen Glauben und heiratete den Handelsmann, kgl. preußischen Kommerzialrat und Ritter des roten Adlerordens Anton Tichy, einen Katholiken, der früher in Triest vrirkte und dann nach Wien übersiedelte; sie war dessen zweite Frau und ihre Ehe blieb kinderlos. Sie starb am 18. No-vember 1850 in Wien (Stadt Nr. 390), 58 Jahre alt, am Schlag-fluß, während ihr Gatte sie überlebte (lebt 1864 noch); vgl. die Verlassenschaftsakten ihrer Mutter Rebekka Ephraim im Archiv
des Wiener Landesgerichtes,
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