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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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erwidert ^'^'^:
    „ich empfinde beeder Altern Schmertz, wie glücklich ,,ist die Kleine, hat ihre Carriere bald gemacht in un-,,schuld. Von dem muß man sich occupiren, nicht „von dem Verlurst; was haben wir mit unserm langen ,,Leben vor Nutz und Freud, was für Verantwor-,,tung ? da ist zu zittern. Gott erhalte ihm seinen „Kleinen."*)
    Diese trübe Zeit verging denn auch. Meiner Eltern Schmerz beruhigte sich allmählich. Bruder Xaver *) In der Schreibvveise des Originals.
    war vollkommen genesen, und obwohl seine hübschen Züge zerstört waren, so daß, wer ihn früher gesehen, ihn jetzt kaum mehr erkennen konnte, war seine Ge-sundheit doch weiter nicht erschüttert. Er gedieh, so wie ich, recht fröhlich; Schwester Rosine war ein Engel im Himmel. Unsere Lernstunden gingen wieder den gewohnten Gang, und ebenso die Lebensweise meiner Eltern. Der kleine Preußenkrieg — der Zwetschken-rummel vom Volke genannt — der sich in dieser Zeit, 1778—79, erhob, hatte so wie auf das allgemeine, so auch auf das innere Leben unserer Mitbürger keinen sichtbaren Einfluß. Aber die Gesinnungen des Thron-folgers, Kaiser Josefs, die in vielem von denen seiner Mutter verschieden waren, schienen damals immer deutlicher hervorgetreten zu sein, und manches Miß-verständnis, manche Unzufriedenheit zwischen Mutter und Sohn erregt zu haben. Es war eben die alte und neue Zeit, die sich hier grell und stark von einander trennten, und so wie sie einander nicht begreifen konn-ten, konnte auch keine Vereinigung zwischen ihnen stattfinden. Mein Vater'kannte dies alles sehr genau, und in jenen Blättern liegt mancher Beleg dazu, wenn die lebens- und arbeitsmüde, fromme Herrscherin selbst davon spricht, daß sie das nicht mehr sei, was sie gewe-sen, und daß ihr Wort, ihr Wille nicht mehr gelte wie früher 108).
    Noch ein Jahr verging auf diese Weise. Mein Geist entwickelte sich allmählich, und so wie er sich selbst und seine Umgebungen besser zu verstehen anfing, übte Phantasie und Dichtkunst mehr Macht über den-selben. Ich hatte hin und wieder einen Roman, ein Schauspiel zu lesen bekommen. Ich schrieb nun selber eins oder zwei, die jedes, ungefähr einen Bogen stark,
    barer Unsinn waren, wie ich mich noch erinnere; aber genug, ich fühlte den Drang, etwas zu dichten und meine Gedanken zu Papier zu bringen. Haschka ließ mich viele Gedichte auswendig lernen, mein Kopf war voll Verse, Bilder, Reime; — und aus dieser aufgehäuften Masse fremden Gutes entwickelte sich da und dort etwas eigenes, so zum Beispiel ein Jahr später ein kleines Gedicht auf die Wiedergenesung einer Gespielin, jenes Mädchens, das meine Eltern mir zur Gesellschafterin gegeben hatten, welches Gedicht die Herren Poeten, die unser Haus besuchten, aus Rücksicht für meine Eltern — denn das Zeug verdiente die Ehre nicht — in einen Wiener Musenalmanach aufnahmen^°^). Nun war also mein Name schon gedruckt, obgleich ich kaum zwölf Jahre zählte. Doch ich kehre zum Faden der Erzählung zurück.
    Im Herbste 1780 fing die Kaiserin an, viele Be-schwerden von einem heftigen Husten zu fühlen. Die Ärzte machten bedenkliche Mienen; — man glaubte die reii3enden Fortschritte einer längstbegonnenen Brustwassersucht zu erkennen, welche der Monarchin schon seit vieler Zeit das Treppensteigen, Atemholen usw. beschwerlich gemacht hatten. Die Stadt wurde bestürzt, in allen Familien regten sich, je nachdem ihre Stellung zum Hofe oder dem öffentlichen Leben war, je nachdem sie mehr der milden, wohltätigen Wärme des sinkenden Gestirnes oder dem feurigen Glänze des aufsteigenden zugewendet waren, verschiedene, aber lebhafte Besorgnisse, Hoffnungen, Erwartungen; aber in unserm Hause und wohl noch in vielen der älteren Diener Maria Theresias herrschte die tiefste Nieder-geschlagenheit. Der Zustand der Kaiserin verschlim-merte sich schnell; in wenigen Tagen wurde von höch-
    ster Gefahr und bald darauf von Hoffnungslosigkeit gesprochen. Ich erinnere mich noch dieser ängstlichen Tage sehr wohl, sie lasteten selbst auf uns Kindern durch den Reflex des Kummers unserer Eltern und Freunde; denn wir konnten die Bedeutung der großen Veränderung, welche dem Vaterlande bevorstand, und ihre Folgen nicht einsehen. Während alles um sie her trauerte, behielt nur sie ihre ruhige Fassung bei. Sie hatte als Christin im höheren Sinne gelebt; sie war mit der Idee ihres Todes vertraut, und jenseits erwartete sie der unvergeßliche, geliebte Gemahl und mehrere vorangegangene Kinder.

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