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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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Beamten ein Übriges tun können i^^^. Meine Eltern suchten sich also eine Wohnung auf eigene Kosten und fanden diese in einer sehr angeneh-men Lage auf dem Neuenmarkt, wo wir sehr hohe, große, freundliche Zimmer hatten, eine Wohnung, ganz geeignet, um darin viele Leute zu empfangen, Feste zu geben usw. ^^^a) — eine Lebensart, die sich in meiner Eltern Hause ununterbrochen fortsetzte, obgleich der Tod der allgeliebten Maria Theresia und die ganz ver-änderte Stellung, in welcher die vor vielen begünstig-ten Räte des Vorfahrs jederzeit zum Nachfolger zu stehen pflegen, einen Umschwung der Dinge in dieser Rücksicht für meinen Vater hätte können besorgen lassen. Hier aber, glaube ich, galt seine und meiner Mutter Persönlichkeit zu viel und diese erhielt das An-sehen des Hauses, wenn schon keine besondere Gunst des Monarchen dasselbe auszeichnete, so daß denn dies nach wie vor der Sammelplatz bedeutender und zahl-reicher Besuche war.
    Eine der ersten fühlbaren Wirkungen des neuen Re-gierungssystems war eine viel unbeschränktere Preß-lizenz, und Josef H. suchte eine Art von Stolz darin, selbst was über seine Person gesagt oder geschrieben wurde, ungeahndet öffentlich erscheinen zu lassen. Die unmittelbare Folge davon war eine Unzahl kleiner oder größerer Broschüren, Pamphlets usw., welche nun erschienen, und in welchen sich die Schriftsteller mit und ohne Witz, mit oder ohne Grund über alte Ge-bräuche und Mißbräuche aussprachen ^^^). Eine der ersten, wo nicht ganz die erste, war eine Betrachtung über die kostspieligen Leichenfeierlichkeiten^^^), die denn ganz in dem materiellen Geist jener Zeit, der so-
    genannten Aufklärung, als töricht, als eine unnütze Verschwendung, als eine aus der Gewinnsucht der Geistlichen entstandene Spekulation dargestellt wur-den. Vielen Anklang fanden solche Äußerungen in der Erkaltung der meisten Gefühle so wie im Eigennutz der Erben und Verwandten des Verstorbenen. Auch ließ jenes Leichengepränge merklich nach. Man fand es bürgerstolz, unaufgeklärt, altfränkisch, kostspiehge Leichenzüge zu veranstalten, Gräber und Grüfte 'zu ehren, zu schmücken; — und siehe da! sechzig Jahre darnach liest man in jeder Zeitung von irgend einer hochfeierUchen Bestattung eines oder des andern aus-gezeichneten Mannes und sieht den Luxus, der in unsern Tagen mit eigenen Grabstätten und Denk-mälern auf den, gleichsam in Gärten verwandelten Friedhöfen herrscht.
    Weil nun eben alles besprochen werden durfte, war auch des Sprechens kein Maß und kein Ziel. Jeder, der die Feder führen konnte (das waren aber doch vor fünfzig Jahren nicht so viele wie jetzt), ergriff sie in" dieser Periode, um, wie ihn sein Herz oder sein Witz oder vielleicht sein böser Wille trieb, irgend ein tadelnswürdiges Vorurteil, einen , schädlichen Miß-brauch zu. rügen oder wohl auch nur seine Geistesüber-legenheit zu zeigen oder seiner Galle Luft zu machen. Das auf diese Weise Besprochene ward nun von seiner ehemaligen sichern Stellung oder Höhe hferabgerissen und nicht selten schonungslos mit Füßen getreten. Manchem geschah recht, manches Schädliche wurde fortgeschafft, manches Hemmende beseitigt, aber auch nur zu viel Gutes, Nützliches, ja Heiliges mit einge-rissen. Von unbedeutenden Mißbräuchen und Lächer-lichkeiten kam man auf das Wesentlichere. An allen
    c. P. I
    alten Einrichtungen, Vorrechten, Ordnungen, endUch selbst am Glauben und den Dogmen der Religion wurde gerüttelt. Predigerkritiken erschienen, welche, wie jetzt die Theaterkritiken, die Leistungen der verschie-denen Prediger an jedem Sonntag würdigten. Mancher wahre Tadel wurde ausgesprochen, aber das Publikum verlor die Achtung vor dem Manne, aus dessen Mund es das Wort Gottes vernehmen sollte, und den es nun öffentlich in die Schule nehmen und oft bitter oder spöttisch tadeln hörte^^^). Der tadelnde Witz, der sich an allem üben durfte, verschonte auch die Person des Monarchen nicht, dessen freisinnige Großmut ihm die-sen Weg eröffnet hatte. — Alles, was Josef II. mit hohem und humanem Sinne seinen Völkern Gutes er-weisen wollte und wirklich erwies, wurde von allen Sei-ten beleuchtet, jede Schwäche, jede möglich schlimme Deutung aufgegriffen, und je bitterer die Satire war, je willkommener war sie dem Publikum, das nur selten untersuchte, ob denn der Tadel auch gegründet, ob die Auffassung nicht einseitig, nicht von Gehässigkeit eingegeben sei, sondern zufrieden war, wenn es mit-schimpfen und mitlachen

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