Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
ange-hört, gelobt, bewundert und sogar in Musik gesetzt. Was geschieht nicht von Seiten der Freunde und Be-kannten für die Kinder eines verehrten und ansehn-
liehen Hauses^°^)! Das sollten sich manche gegenwärtig halten, die, von den Lobsprüchen der Haus- und Tisch-freunde irregeführt, so leicht dahin gebracht werden, in den Äußerungen und Leistungen ihrer Sprößlinge etwas Außerordentliches zu sehen.
So schwach diese Versuche waren, so dienten sie doch, verbunden mit meinem lebhaften Geiste und mei-nem unvergleichlichen Gedächtnisse, dazu, die Auf-merksamkeit der Männer von Bildung und Wissen-schaft, die das Haus meiner Eltern oft besuchten, vor allen die unsers Hausgenossen Haschka auf mich zu lenken. Er fand es der Mühe wert, sich mit dem Kinde, das etwas zu werden versprach, abzugeben-; er bestimmte täglich eine gewisse Zeit, wo ich auf sein Zimmer kom-men mußte, und wo er mir, so wie meinem Bruder, L nterricht in den Regeln der deutschen Sprache gab — damals noch aus Gottscheds Grammatik ^^); denn Adelung^^^) war noch nicht erschienen.
Hier aber stößt meine Erinnerung auf einen dunkeln Fleck in der Entwicklung meines Selbsts, auf einen häßlichen Zug des Übermutes und liebloser Eitelkeit. Ich könnte ihn verschweigen, denn er ist zum Glücke auf keine Weise mit in die weiteren Fortschritte mei-ner Bildung verflochten; aber ich würde ujiwahr zu sein, und diesen Bekenntnissen einen Teil ihres Wer-tes für unbefangene Seelen, die auch aus Fehlern anderer lernen können, zu entziehen glauben, wenn ich den meinigen nicht gestände, da ich doch auch einiges zu meiner Entschuldigung anführen kann.
Ich glaube schon einmal berührt zu haben, daß mein Bruder, der um drei Jahre jünger war als ich, von der Natur zwar, wie es sich später zeigte, einen sehr scharfen, richtigen Verstand, aber kein so schnelles
Auffassungsvermögen erhalten hatte, als ich. Auch sein Gedächtnis war nicht so hervorstechend, und eine gewisse Langsamkeit in geistigen und körperlichen Be-wegungen, verbunden mit einer nicht ganz deutlichen Aussprache, machten ihm das Lernen schwer und daher oft unangenehm. Die Lehrer, die wir (das Zeichnen und Klavierspielen ausgenommen) gemeinschaftlich hatten, waren daher stets mit mir viel besser zufrieden, obgleich sie, wenn sie sich die Mühe genommen hätten, etwas tiefer zu untersuchen, manchesmal gefunden haben würden, daß eben jene große Leichtigkeit der Auf-fassung mein Erlernen oft oberflächlich und vergäng-lich machte. Indessen, ich glänzte, ich ward vorgezo-gen, als Beispiel aufgestellt, und —- ich übernahm mich, was eine natürliche Folge davon war. Man wollte mei-nes Bruders trägen Geist aufstacheln, ihn zur Nach-eiferung reizen, und wenig fehlte, man hätte mein Herz verdorben. Ich hielt mich für viel was Vorzüg-licheres als meinen Bruder, ich erlaubte mir, ihn zu bespötteln, zu necken, lächerlich zu machen, und diese Bestrebungen eines eitlen, lebhaften Kindes wurden leider nicht streng und strafend gerügt, wie ich mich wohl erinnere.
Noch weiß ich nicht, wodurch ich so viel Gnade vor Gott gefunden, daß er mich nicht tiefer fallen, und mich sogar die fortgesetzte Liebe dieses, von mir nicht immer schwesterlich behandelten Bruders nicht ver-lieren ließ. Es ist wohl dies der größte Beweis von der Trefflichkeit des schönen Herzens dieses teuern und unvergeßlichen Bruders, daß keine Art Widerwille oder Bitterkeit gegen die stets vorgezogene und über ihn er-hobene Schwester, die noch dazu sich dieses Vorzugs nur zu sehr bewußt war, sich in diesem Herzen fest-
setzte, und eine innige Geschwisterliebe uns bis an seinen Tod verband.
Eine feste Stütze hatte dieser Bruder im Hause an jener Tante, der Kusine meines Vaters, welche seit dem Tode der Großmutter bei uns lebte, und auch auf mich eine bleibende Einwirkung anderer — eigent-Hch poetischerer Art übte. Gehebt ward ich nicht sehr von ihr, wenigstens dazumal nicht; denn sie sah in mir den Gegenstand, um dessentwillen ihr Liebling Xaver zurückgesetzt wurde; aber sie war mir gut als dem Kinde ihres teuern Verwandten, meines Vaters, und da sie viel zu billig und gutmütig war, um unter Geschwistern einen gehässigen Unterschied zu machen, so genoß ich manche Freude mit, und erhielt manches werte Geschenk von ihr, weil sie eben ihren Liebling, meinen Bruder, damit erfreuen wollte. Aber diese Vorhebe meiner Tante für den Knaben, den Eltern und Lehrer mit großer Strenge, behandeln zu müssen
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