Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
glaub-ten, und die daraus entspringenden Mißverhältnisse veranlaßten öfters unangenehme Szenen im Innern un-serer Familie.
Während sich die Dinge auf solche Art im häus-.liehen Zusammensein gestalteten, ging das äußere, glän-zende Leben seinen Gang fort. Jeden Abend war Ge-sellschaft. Angesehene Beamte mit ihren Famihen, KavaHere, einige Damen, Gelehrte und Künstler be-suchten unser Haus. Mein Vater gab öfters große, glän-zende Konzerte, zu welchen die schöne Welt sich drängte und bei welchen ich — obgleich noch ein Kind — mich auf dem Flügel (damals kannte man noch keine Pianoforte) hören heß^^). _ Aber eben diese Auszeich-nungen, die sichtbare Gunst der Monarchin, welche mein Vater genoß, der glänzende Fuß, auf dem unser
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Haus eingerichtet war, die Menge der Besucher des-selben, erregten Aufsehen, Mißgunst, Feinde. Von vielen Seiten standen sie gegen meinen Vater auf; vieles wurde versucht, um ihm die Gnade der Kaiserin zu rau-ben; aber seine unerschütterliche Treue und Redlich-keit bestanden alle diese Proben®^). Die Monarchin verkannte den Wert seiner Dienste nie, und bis an ihren Tod währte das Vertrauen und die, ich möchte sagen, freundschaftliche Zuneigung, die sie ihm so wie meiner Mutter schenkte, und für welche wir noch in jenen Blättern, von denen ich oben sprach, rührende Beweise, von ihrer Hand geschrieben, besitzen.
Meine Mutter besuchte den Hof oft. Ihre Stellung in der Welt erlaubte ihr zwar nicht, in den Kreisen des Adels und bei jenen Gelegenheiten zu erscheinen, wann dieser sich um die Monarchin versammelte, und nur einmal im Jahre, am Neujahrstage, war es damals den Frauen der höheren Staatsdiener erlaubt, sich zum Handkusse bei der Kaiserin einzufinden. Das unter-ließ denn meine Mutter nie, und noch sehe ich das Kleid vor mir, von schwerem, weißen Seidenstoff, mit bunten und goldenen Blumen reich durchwirkt und mit goldenem Besatz verschönert, das sie an solchen Tagen trug. Aber sie fuhr oft in die Burg, nach Schön-brunn oder Laxenburg, um in der Kammer, wie man es nennt, der Monarchin aufzuwarten, und bei diesen Besuchen nahm sie uns, ihre Kinder, öfters mit^^). So sah ich denn den glänzenden Hof der regierenden Frau, sie und viele ihrer schönen Kinder, die damaligen Erzherzoge Max^^) und Ferdinand^^), die Erzherzogin-nen Marianne^^), Christine^^), Elisabeth^^) usw. oft. Lebhaft steht die Gestalt der großen Frau vor mir, die, trotz ihres vorgerückten Alters und ihrer durch die
Blattern damals ganz zerstörten Schönheit 1°"), eine Majestät,mit Huld und Freundhchkeit verbunden, besaß, welche unwiderstehlich anzog. Wie manches Mal redete sie freundhch zu mir, Heß sich herab, mir Spielzeug zu schenken und dessen Gebrauch zu zeigen. In Laxen-burg und wohl auch in ihren andern Schlössern hatte sie, da ihr das Treppensteigen sehr beschwerHch zu werden anfing, sich eine Maschine machen lassen, welche in einem Kanapee bestand, auf dem sitzend sie mittelst eines leichten Mechanismus in das' obere Stockwerk hinaufgehoben oder in das untere hinabge-lassen werden konnte. Höchst wunderbar und unter-haltend war es mir, wenn sie zuweilen sich mit meiner Mutter auf eines jener Sophas setzte, mich zwischen ihnen beiden stehen hieß, und ich mich nun wie durch Geisterhände emporgehoben und in ein anderes Zim-mer versetzt fand. Noch jetzt, nach mehr als 50 Jahren erscheinen jene Bilder, die Gestalten jener fürstlichen Personen, vor allen die Gestalt der huldvollen, großen Kaiserin mir hell und deutHch. Ich wollte die Zim-mer, in die ich damals oft geführt wurde, noch finden, und den ganzen silbergrauen Aufputz ihres einsamen Witwengemaches beschreiben. Hier saß sie einmal, nach einer glänzenden Schhttenfahrt, w^elche meine Mutter auch in den Zimmern der Kaiserin mit ange-sehen hatte, Knötchen schürzend (ihre gewöhnliche Handarbeit, welche dann zur Verzierung von Kirchen-ornaten verwendet wurden), am Fenster, und ich be-fand mich allein in der Stube bei ihr. Da rief sie fnich und gab mir einen Auftrag an eine ihrer Kammer-dienerinnen im vordersten Zimmer. Ich — ein Kind von 8—9 Jahren, eilte dann geschäftig hinaus, sehr^ge-ehrt durch den Auftrag, ghtschte aber auf dem Parkett
aus, und fiel im vordersten Zimmer der Länge nach hin. Sogleich schickte die gütige Monarchin ihre Kam-merfrau, um zu sehen, ob mir nichts widerfahren wäre, ließ mich zu sich hineinführen, befragte mich selbst, und da das ganze geschehene Unglück in einem zerr
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