Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
lesende Welt in Deutsch-land in Bewegung setzten, suchte ich mein fast ganz vernachlässigtes Englisch hervor, und trieb es mit Eifer, um jene Meisterwerke im Original genießen zu können. Nach und nach suchte Häring statt der englischen Lektionen eine andere Beschäftigung in unsere Stunden des Beisammenseins einzuführen. Er brachte mir Bü-cher, mitunter gute, und las sie mir vor. Hätte ich sonst keine Gelegenheit gehabt, meinen Geist auszu-bilden, so wäre diese Bemühung meines Freundes im-mer dankenswert gewesen. So aber konnte sie in dieser Richtung kein großes Verdienst ansprechen; denn im Hause meiner Eltern und unter ihrer ebenso liebevollen als sorgfältigen Leitung mangelte es mir weder an Ge-legenheit, noch an Zeit und Aufmunterung, meinen Geist mit den mannigfaltigsten Kenntnissen zu schmücken. Außer den Dichtern: Denis, Leon, Haschka, Alxinger, Blumauer usw., welches damals be-rühmte Namen waren, besuchten auch Männer von strengen Wissenschaften häufig unser Haus, wie ich schon früher angeführt ^^^). Überdies reiste beinahe kein fremder Gelehrter oder Künstler nach Wien, der nicht Empfehlungsschreiben an Haschka oder unmittel-
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bar an meine Eltern hatte, und sich von jenem vor-stellen oder durch seine Briefe einführen ließ. So ka-men der berühmte Reisende Georg Forsteri^^), die Pro-fessoren Meiners 1^^) und Spittler^^'), Beckeri^^), Gök-kingk^^^), der Schauspieler Schröderi^") aus Hamburg, viele Musiker, Kompositoren, wie Paisiello^''^), Cima-rosa^'^), zu uns; und daß die einheimischen Künst-ler Mozart, Haydn, Salieri^'^), die Gebrüder Hickhel (Kammermaler des Hofes) ^''*), Füger^'^) und andere nicht fehlten, versteht sich von selbst. Im Umgange mit diesen Menschen, deren bloßes Gespräch schon an sich selbst Unterricht für einen empfänglichen Geist war, von manchem unter ihnen aber, wie von Haschka, Leon, Alxinger, Maffei usw. wirklich in ver-schiedenen Gegenständen des Wissens angeleitet, be-durfte ich keiner Nachhilfe von Seite meines Freun-des, ja, seine Bemühungen, allerlei Bücher mit mir zu lesen, oder mich im Englischen zu unterrichten, schie-nen mir in der Stellung, in welcher ich mich befand, überflüssig und unpassend; denn meine Phantasie hatte sich angenehmere Bilder von herzlichen Mitteilungen und süßem Gekose entworfen, welches die Stunden un-sers Beisammenseins hätte ausfüllen, und ihm kein Verlangen nach einer trockenen Lehrstunde nähren lassen sollen, die mir wie ein Lückenbüßer der Lang-weile vorkam.
Allmählich drängten sich mir auch andere Bemer-kungen auf. Nicht Häring allein, auch andere junge Männer, die unser Haus besuchten, brachten mir ihre Huldigungen; denn damals war es noch Sitte, daß die Männer in Gesellschaft sich um die Frauen und Mäd-chen bemühten, und jede, die einige äußere oder innere Vorzüge besaß, einen kleinen Hof um sich sah, der.
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wenn auch ohne bestimmte Aussicht oder Hoffnung, sich bestrebte, der verehrten Königin gefällig zu sein. Diese nun fanden alles, was und wie ich es tat, gut und liebenswürdig, während Häring stets etwas an mir zu tadeln und zu hofmeistern hatte, das, wie eben der erste Zauber verschwunden war, greller hervortrat, mir manche Stunde des Beisammenseins verbitterte, manche unangenehme Erörterung herbeiführte, und mich in eben dem Maße gegen ihn kälter machte, in welchem ich mich immer mehr von seiner Kälte überzeugt glaubte. Dazu kam noch die Beobachtung, daß diese Kälte meistens nur erschien, wenn wir allein waren; vor den Leuten aber einem aufmerksamem, wärmern Benehmen wich, das mir zugleich so eingerichtet vor-kam, um die Welt an Sicherheit und Unveränderlich-keit unsers Verhältnisses glauben zu machen.
Herr v. Alxinger, der warme und treue Freund un-sers Hauses, hatte etwa um diese Zeit oder etwas früher eine allerliebste poetische Epistel an mich gedichtet, in der er mir sehr heilsame Lehren, besonders in Rücksicht auf sein Geschlecht, gab, und worin es unter andern heißt:
Von zwanzig Jünglingen, die sich Wie Satelliten um Dich drehen, Liebt auch vielleicht nicht Einer Dich. Den blendet der Dukaten Schimmer, Die Deiner warten, den reizt deines Vaters Rang, Den lockt Dein Witz, den Deiner Saiten Klang, Und Jener liebt in Dir nur bloß das Frauenzimmer"*). (Dieser letzte Vers drückt dieselbe Idee aus, welche Grillparzer
40 Jahre darnach in die Worte hüllte:
— aber nicht, weil es die Rose,
Weil es — eine Blume ist)"^).
Ich merkte mir diese Stelle
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