Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
müsse. Sie machte mich darauf aufmerksam, daß meines Freundes Zukunft in ökono-mischer Hinsicht nichts weniger als gesichert sei, wie die erst abgetane Geschichte bewiesen hatte, und sie fragte mich dringend, ob ich denn Liebe genug für ihn fühlte, und auch der seinigen gegen mich auf einem solchen Grade sicher sei, um, falls wir künftig vielleicht durch feindselige Einwirkungen, welche bei Härings Lage nur zu wahrscheinlich waren, in beschränkte Umstände geraten sollten, für die äußern Vorteile durch inneres Glück entschädigt zu werden.
Da stand ich nun, und wußte nichts genügendes zu antworten, ja ich mußte die Frage meiner Mutter, die ich nur als zu gegründet erkannte, wenn ich auf-richtig sein wollte, geradezu verneinen. Nein! Ich fühlte diese Liebe, die für alles entschädigen konnte,
längst nicht mehr, und Häring hatte sie, wenn ich der Sache recht nachsann, wohl nie gefühlt. —
Unsere Trennung wurde also beschlossen. Sie tat mir weh, so klar ich auch überzeugt war, daß unsere Verbindung keinem von beiden mehr Glück bringen würde. Mein Herz hatte die alten Bande liebgewon-nen, weil sie eben alt waren, und es kostete manchen Kampf, bis endlich die Vernunft siegte, und ich mei-nem Freunde schriftlich meinen Entschluß erklärte. Eine Weile glaubte ich in manchen Augenblicken an den Schmerz, den erzeigte;-—allmählich aber erkannte ich, daß seine Ruhe und Behaglichkeit zu fest gegrün-det waren, um durch meinen Verlust erschüttert zu werden, und daß sein Bestreben eigentlich nur dahin ging, vor der Welt noch stets als mein Liebhaber zu gelten. Um dies zu erreichen, drängte er sich auffallen-der als je an mich, und wie ich, geärgert durch dies ab-sichtsvolle Benehmen, mir erlaubte, es ihm fühlen zu lassen, entdeckte ich zu meinem großen Mißfallen und Ärger, daß er mein nachlässiges, ja manchmal unartiges Benehmen gegen ihn ganz geduldig hinnahm, sich, wenn wir allein waren, alle Kälte, alle Bitterkeit von mir gefallen ließ; aber in den Gesellschaften unserer Bekannten und Verwandten, wo wir uns, trotz unseres Bruches, zu sehen nicht vermeiden konnten, meinen Liebhaber zu spielen fortfuhr.
Wie sehr mich dies Betragen empörte, wird man leicht erachten, wenn man bedenkt, wie hoch meine erste Meinung von Härings moralischem Wert, wie schwärmerisch überhaupt meine Meinimg von der Würde des Mannes war, der eine gebildete, feinfüh-lende Frau wirklich beglücken könne; wenn man weiß, daß ich ziemlich viele Romane gelesen, mir aus diesen
Ideale abgezogen, und endlich in der eigenen Phan-tasie lebendige Farben und Wärme genug gefunden hatte, um diese Bilder aufs Glänzendste auszumalen. •Nun war auch jeder Kampf zu Ende, jede Rücksicht beseitigt. Ich erklärte Häring mündlich, aber mit gro-ßer Ruhe und Kälte, es sei alles zwischen uns geendet; ich wolle aber, daß die Welt es auch erfahre. Ich bäte ihn daher, sein Betragen darnach einzurichten, so wie ich meinerseits mich auch demgemäß gegen ihn ver-halten würde. So erhielt ich endlich meine völlige Frei-heit, und daß wir beide nach wie vor uns in den Zirkeln unserer Bekannten trafen, auch wohl zuweilen miteinan-der musizierten, späterhin auch auf unserm Haustheater miteinander spielten, ohne den geringsten Schmerz zu fühlen, war wohl der triftigste Beweis von der vollkom-menen Gleichgültigkeit und Kälte, die in uns beiden herrschten. Es war wirklich ein seltsames Verhältnis!
Dies erste Band war nun gelöst oder vielmehr es war, wie eine Gerätschaft, die sich abnützt, aus-einander gefallen. Mein Herz war unbeschäftigt, meine Phantasie hatte während der ganzen drei Jahre ge-schlummert, gleich als ob die Prosa, welche das Gemüt meines Freundes beherrschte, sich auch mir rnitgeteilt und alle meine dichterischen Anlagen getötet oder ein-geschläfert hätte. Sie fingen an, sich wieder zu regen, ich dichtete Lieder, Idyllen, ich träumte mir eine schöne Ideenwelt, und lebte in der wirklichen auch ganz vergnügt, indem ich an allen Freuden und Un-terhaltungen, die teils unser eigenes Haus, teils die Häuser unserer Freunde oder öffentliche Feste mir dar-boten, lebhaften Anteil nahm.
Aber in der Tiefe meines Herzens oder — viel-Itichf meiner Phantasie lebte das Bedürfnis, einen aus-
schließenden Gegenstand meiner Neigungen zu fin-den, an welchen diese Phantasie mit ihren Bildern sich heften konnte. Da brachte der ausbrechende Türken-krieg einen jungen Mann, den ich früher kennen ge-lernt,
Weitere Kostenlose Bücher