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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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sehr wohl, so wenig Schmeichelhaftes sie auch für meine Eitelkeit enthielt.
    Sie drückte sich meinem Gedächtnisse ein; ich fing an, Härings Betragen daran zu prüfen, und ob ich gleich nicht entscheiden will, welche der dort aufgeführten Bezeichnungen gerade auf ihn paßte, so trat doch die Vermutung, daß ich nicht geliebt sei, wie ich es hätte sein sollen, wie ich es wünschte, wie ich es, wenigstens im Anfange selbst getan hatte, immer deutlicher her-vor, und bildete sich durch jede Beobachtung, jeden Zwist mit meinem Freunde, jede seiner Zurechtwei-sungen bestimmter aus.
    Noch eine Wahrnehmung gesellte sich dazu, die vollends mein Gemüt von ihm wandte. Ich habe frü-her schon erwähnt, daß mein religiöses Gefühl, trotz des Zeitgeistes und des ganz entgegengesetzten Tones, der um mich herrschte, sich ziemlich lebendig in mir erhalten, und ich sehr gewünscht hatte, bei näherer Bekanntschaft mit meinem Freund über jene Gegen-stände, die mir so wichtig waren, zu sprechen, mich von ihm belehren, mein Gemüt durch ihn erheben zu lassen. Statt dessen machte ich nach und nach die höchst uner-freuliche Entdeckung, daß auch Häring dem Zeitgeiste wie fast alle jungen Leute huldigte, daß er beinahe nichts glaubte, und die kirchlichen Gebräuche, gegen welche meine Eltern stets Ehrfurcht beobachtet, und mich dazu angehalten hatten, nicht bloß geringschätzte, sondern verhöhnte. Er brachte meiner Mutter allerlei Bücher, z. B. das Systeme de la nature, Les liaisons dan-gereuses^"^), und las sie ihr vor— wo ich denn auch dort und da ein Stückchen zu hören bekam. Das tat mir alles im Anfa-nge sehr weh; ich versuchte es, mit Häring darüber zu sprechen, ihm die Schädlichkeit und Falschheit seiner Ansichten zu zeigen, aber ich kam übel an. So wie der Spötter und Leugner bei jedem
    Streite immer das leichtere Spiel hat, so ging es auch hier. Ich war zu wenig in diesem Fache tief unterrich-tet, und meine Religion zu sehr Sache des Gefühls, des Glavibens, was sie wohl im Grunde überall sein muß, um in dem Streit mit einem entschiedenen Wi-dersacher auszulangen, der nun einmal alles Positive der Religion verwarf, und vielleicht, ich erinnere mich dessen nicht mehr genau, sogar an den Atheismus streifte. Diese Erörterungen griffen schmerzlich in mein Inneres ein. Sie wurzelten meine erste, mir einst so werte und beglückende Liebe gänzlich aus, und er-schütterten noch überdies meine Ruhe, indem, teils aus Härings Ansichten, teils aus Büchern, teils aus den Gesprächen, die ich häufig um mich führen hörte, Zweifel und Unsicherheit in mein Herz drangen.
    Drei Jahre hatte nun meine Verbindung mit die-sem Manne gewährt; jch hatte mein achtzehntes Jahr erreicht, und jeder Tag ließ es mich deutlicher erkennen, daß wir zwei nicht für einander geschaffen waren; den-noch schleppte die Sache sich noch eine Weile hin, da Häring keine Lust und ich nicht Entschlossenheit ge-nug hatte, um förmlich zu brechen. Eine Verkettung von Umständen trat wohltätig ins Mittel. Härings Aussichten, bald zu einer Stellung in dem Handelshause seines Schwagers ,,von Schwab", in dem er angestellt war, zu gelangen, welche ihm, wie wir seit langer Zeit hofften, die Möglichkeit geben sollte, mir seine Hand zu bieten, und einen kleinen, aber anständigen Haus-halt zu beginnen, trübten sich plötzlich. Aus wider-wärtigen und sehr gemeinen Streitigkeiten mit den übrigen Interessenten ging nur allzu deutlich Härings prekäre Stellung in ihrer Mitte hervor. Mein Vater und noch ein Freund der gesamten Familie nahmen sich
    endlich ernstlich der Sache an, jene Streitigkeiten wur-den beigelegt, Häring behielt seine Anstellung; aber dieser Vorfall hatte meinen Eltern die Überzeugung gegeben, daß mein Schicksal als Härings Frau ganz von den Launen und dem Eigensinne einer gewissen Person abhängig sein würde, welche in jenem Streite eben die Hauptrolle gespielt, und durch einen plötzlichen Um-schwung der ganzen Verhältnisse gezeigt hatte, welche Macht sie über dieselben besaß, und wie alles sich ihrem Willen würde beugen müssen!
    Diese Aussicht in die Zukunft machte meinen El-tern für mein Glück bange, und da ihnen in unserm gegenseitigen Betragen die Erkaltung unserer Neigung längst bemerklich geworden war, so fing meine Mutter an, ernsthaft über diese Angelegenheit mit mir zu spre-chen. Sie gab mir zu bedenken, daß man bei einer Hei-rat die innere Zufriedenheit oder wenigstens äußere Vorteile beabsichtigen

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