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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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und dessen Erscheinung nicht spurlos an mir vor-übergegangen war, obwohl ich damals, meines Ver-hältnisses zu Häring wegen, keinen andern Gedanken in mir aufkommen ließ, nach Wien und in meine Nähe. Er war der Sohn eines hochgestellten Offiziers, eines alten Bekannten meiner Eltern, noch vom Hofe der Kaiserin her, und selbst schon Offizier^^^). Ein paar Jahre früher hatte dieser junge Mann auf dem Lande in unserer Nachbarschaft bei Härings Eltern während der Ferien gewohnt, und sich durch Feldmessen, geometri-sche und mathematische Studien für seinen Beruf vor-bereitet. Er war ein zierlicher Dichter, überhaupt sehr gebildet, von zartem Wuchs, feinjer Gesichtsbildung, und, was für mich stets anziehend war, mit einem sehr wohlklingenden Sprachorgane begabt. In den Bäumen jenes Gartens, in welchem er damals wohnte, standen mancherlei Verse, die mir galten. Häring selbst hatte sie mir gezeigt, und sich wohl auch ein bißchen über den Dichter lustig gemacht. Bei mir waren diese Be-merkungen nicht auf die Erde gefallen. Baron K., den ich Fernando nennen will, war überhaupt der Aufmerk-samkeit in vielem Betracht würdig, und wurde seitdem auch von mir nicht ohne Interesse betrachtet. Wir sahen uns zuweilen, wo er mich stets mit zarter Ehr-furcht auszeichnete, und als er zum Regimente abging, einen sehr bewegten Abschied von mir nahm. Während dieser Abwesenheit löste sich mein Verhältnis zu Hä-ring ganz auf, und als Fernando bei Eröffnung des ersten türkischen Feldzuges wieder nach Wien kam, sah ich
    ihn mit ganz andern Augen. "Indessen blieb vor der Hand alles zwischen uns, wie es war, nur daß mein Herz und meine Einbildungskraft an allen Bulletins, die damals von den Diesseitigen und Jenseitigen (wie man unpassender Weise in den schlechtgeschriebenen Extrablättern Freund und Feind nannte) erschienen, sehr lebhaften Anteil nahm, und ich mich stets von dem Stande des Hauptquartiers, in welchem da-mals Fernando bei dem, später durch verschiedene Schicksale merkwürdigen Generalquartiermeister Ba-ron von Mack^^°) als Adjutant stand, zu unter-richten suchte.
    Schon diese Anstellung, das Vertrauen, welches ihm Baron Mack schenkte, und der Gebrauch, den er von den Fähigkeiten des jungen Offiziers machte, bewiesen sehr für Fernandos Geschicklichkeit und Wert, und er-freuten mein Herz, das nun in Liedern und Dichtun-gen freudig aufging, und mit dem bewegtesten Anteil die Zeitungsnachrichten ergriff. Um diese Zeit er-schien Goethes Egmont. Wie so lebhaft konnte ich mit Clärchen sympathisieren, und das Liedchen, zu dem ich mir selbst eine Melodie auf dem Klaviere ausgesonnen hatte, singen:
    Die Trommel gerühret, Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster bewaffnet Dem Haufen befiehlt! ^^i)
    Das Leben in meiner Eltern Hause gestaltete sich um diese Zeit sehr angenehm, wie denn überhaupt in ganz Wien damals ein fröhlicher, für jedes Schöne empfäng-licher, für jeden Genuß offener Sinn herrschte. Der Geist durfte sich frei bewegen, es durfte geschrieben, gedruckt werden, was nur nicht im strengsten Sinne
    des Wortes, wider Religion und Staat war. Auf gute Sitten ward nicht so sehr gesehen. Ziemlich freie Theaterstücke und Romane waren erlaubt und kur-sierten in der großen Welt. Kotzebue machte damals ungeheures Aufsehen; — sein Menschenhaß und Reue^^^), seine Indianer in England^^3), seine Sonnen-jungfrau i^^), meisterlich von dem damaligen Personale: Madame Sacco, Adamberger (Mutter), Katharine Jac-quet, Madame Nouseul^^^), den Herren Lange, Brock-mann, Müller 1^^), Dauer 1^"), Schütz ^^®) usw. vorge-stellt, waren eine geistige Angelegenheit des Publikums, und nicht wie jetzt bloße Ausfüllung der Avantsoireen; denn damals gab es dies Erzeugnis der Langweile und Abstumpfung noch nicht, und selbst die höchsten Klassen der Gesellschaft widmeten in der Regel bloß den spätem Nachmittag und Abend bis etwa zehn Uhr der Geselligkeit.
    Alle jene obengenannten Stücke, sowie Gemmin-gens deutscher Hausvater (nach Diderot) ^^^), der Ring von Schröder ^^°), viele andere, die im Strom der Vergessenheit versunken sind und eine Menge Romane und Erzählungen (ich weise vor andern auf Meißners Skizzen ^^^) hin) waren auf lauter unanständige Verhält-nisse gegründet. Ohne Arg und Anstoß sah, bewun-derte, las sie die Welt und jedes junge Mädchen. Ich hatte alles dies mehr als einmal gelesen oder gesehen, der Oberon^^^) war mir wohlbekannt, so wie Meißners Alcibiades^^^). —• Keine Mutter trug ein

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