Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
gesellte sich noch eine geheime Beziehung dazu, welche mir alles, was diesen Krieg, diese Siege und die, welche Anteil daran hat-ten, betraf, näher rückte. Nun erklang von weitem das Geklatsche der Postillonpeitschen, das Schmettern ihrer Hörner. — Er kommt! Er kommt! so tönte es in mir und gestaltete sich unwillkürlich in mir zum Gesang:
Er kommt! er kommt! Wie jauchzt die trunkne Menge!
Ha! welch ein Tag, beglücktes Wien!
Der Siegesbote naht in jubelndem Gedränge,
In deine Mauern einzuziehn.
Der Hörner Ton, der Peitschen lautes Knallen
Verkündet seine Ankunft schon.
Die Scharen mehren sich, gedrängte Reihen wallen
Ihm vor und nach bis hin zum Thron.
Es lebe Loudon! tönt aus jedem Munde usw.***)
Die 24 oder 48 Postillone kamen nun näher, eine un-geheure Menschenmasse wälzte sich vor, neben, hin-ter ihnen daher durch die Straßen. Vivatgeschrei durchschmetterte die Luft; eine Art Trunkenheit schien sich der ganzen Einwohnerschaft bemächtigt zu haben. Nun erschien der General; — da verdoppelte sich das Jauchzen, das laute Rufen, und so im allgemeinen Ju-bel, den ich, den Kurier von der Leipziger Schlacht 1813 kaum ausgenommen — denn das Volk war unter Josef IL mehr gewohnt, seine Empfindungen auszu-sprechen — nie wieder so gehört habe, gelangte der General in die Burg.
Aber mit diesen paar schönen Stunden waren die Glückseligkeit der Wiener und die Bezeugungen ihrer Freude nicht vorüber, wie es wohl jetzt, in zahmeren Zeiten der Fall ist und sein muß. Ich habe schon ge-meldet, daß ein sehr schöner Tag war. Nach Tisch flog alles da-, dorthinaus, die meisten in den Prater;
— auch wir machten es so. — Wie wir gegen den roten Turm kamen, tönte uns neues Vivatrufen entgegen und ein Menschenschwarm sperrte den Weg. — Was war es ? — Ein Träger von der Hauptmaut, wenn ich nicht irre, trug sehr zufälHger Weise den Na-men London. Dieser Umstand identifizierte den Mann in den Augen des Volkes auf gewisse Weise mit dem Helden des Tages, und so wurde dann von tollen, be-geisterten Kameraden und andern Leuten der dicke, kupferige Mann, dem wohl von solcher Ehre nie ge-träumt hatte, in seinem leinenen Arbeitskittel, das Bündel Stricke auf der Achsel, wie im Triumph auf den Schultern herumgetragen, mit Wein bewirtet, den er sich tapfer schmecken ließ, und es wurden allerlei Possen mit ihm getrieben.
Als es dunkelte, entbrannten plötzlich in allen Fenstern der Stadt die Lichter und eine allgemeine, freiwilhge, extemporierte Illumination bezeugte und verherrlichte die Freude meiner 'guten Mitbürger. Die ganze Welt wanderte auf den hellen Straßen in der milden Luft des schönen Herbstabends und alles fühlte sich von der Bedeutung des Tages gehoben und be-geistert^os). Auch Klänge sollten dem schönen Abend nicht fehlen. In rascher Entschließung hatten die Stu-denten sich vereinigt (damals war es noch erlaubt, solche Entschlüsse auf der Stelle zu fassen und sie, ohne sich bei der Polizei anzufragen, auch auszuführen), eine vollstimmige, schöne Instrumentalmusik zusammenge-bracht und zogen nun, alle durch weiße Kokarden be-zeichnet, mit Transparents und ihren Instrumenten durch die Stadt. Eine Unzahl junger Männer aus den höheren Ständen schloß sich an sie und qualifizierte sich durch eine weiße Schleife, im Notfalle durch ein
Stückchen weißes Papier auf den Hut gesteckt, als einer der ihrigen.'' So bewegte sich der lange Zug durch die Straßen der Stadt und brachte seine Ständchen in sehr wohl ausgeführten Symphonien vor dem Hause, in welchem Loudons Gemahlin wohnte, vor dem Kriegsge-bäude, der Universität und auf dem Burgplatz vor Kaiser Josefs Fenstern und'überall wiederholte sich in lautem Beifalls]auchzen der.Jubel dieses zwölften Oktobers^''^).
Nicht lange darnach folgten andere Kuriere mit den Nachrichten von der Einnahme von Orsova, dem Sieg bei Martin] estie usw. und so schloß dieser Feldzug höchst glänzend 2'*^).
Meine poetische Laune war schon seit längerer Zeit, seit nämlich das höchst prosaische Verhältnis mit Hä-ring ein Ende genommen, wieder lebhaft erwacht. Ich vollendete das Gedicht, das ich beim Einreiten des Kuriers am Fenster begonnen; es fand Beifall. Freunde des Feldmarschalls erbaten es sich, es wurde gedruckt, ihm übersandt und bald darauf erschien einer seiner Neffen bei uns (der nun auch längst tot ist), um mir im Namen seines Oheims zu danken. Es freute mich sehr; doch durch eine Eigenheit meines Wesens, die mich nur so
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