Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
lange, als ich dichtete, lebhaften Anteil an mei-nen Kompositionen nehmen, sie aber, wenn sie einmal aus mir herausgetreten waren, ruhig und wie etwas Fremdes betrachten ließ, machte auch diese Auszeich-nung keinen sehr tiefen Eindruck auf mich, und die Artigkeit des ]ungen London2°^), der zufälligerweise die damalige Uniform des Generalstabes wie Baron K** trug, sprach mich beinahe lebhafter an, als der literarische Ruhm, den ich geerntet hatte.
    Wie überhaupt um mich herum reges geistiges Leben war, so bewegte es sich auch in mir. Man hatte
    mir lange nicht gestatten wollen, die Messiadc zu lesen, weil ich sie nicht verstehen und folglich nicht genießen würde, wie man sagte. In Klosterneuburg, dessen Probst ein Verwandter meiner Eltern war2°^), und den wir öfters in seiner herrlich gelegenen Abtei besuchten, trafen wir einst den Chef des Pontonierkorps, das dort und in der Umgegend stationiert war. General Riepbe^io) ^^j- gjj-^ geistvoller, liebenswürdiger Greis. Er fand Gefallen an meiner Unterhaltung, und ich schätzte mir es (nach den Begriffen jener Zeit, die nun freilich anders sind) zur Ehre, von dem würdigen Manne als ein junges Ding von 18—19 Jahren aus-gezeichnet zu werden. Ausschließend unterhielt er sich mit mir, fragte nach meinen Beschäftigungen, meiner Lektüre und riet mir, die Messiade zu lesen, indem er sich mit schöner religiöser Wärme über die Erhabenheit dieses Werkes aussprach.
    So wurde ich auf diese Dichtung hingeleitet. — Ich las sie; mein Innerstes faßte begierig die himm-lischen Strahlen auf, die aus ihr hervordrangen. Ich hatte früher schon die Noachide, den Tasso^^^), selbst den Ariost^^^) gelesen; denn, wie ich schon erwähnt, man dachte damals in Rücksicht lockerer Schriften sehr Hberal. Indessen hatte Ariost auf mich wenig Ein-druck gemacht. Ich betrachtete ihn wie ein Feen-märchen aus der Tausend und einen Nacht, und einzig Zerbinos und Bellas Geschick und einige ähnliche Szenen aus Ruggieros Schicksalen prägten sich mir tie-fer ein. Viel inniger hatte mich Tasso angesprochen, dessen Gerusalemme ich regelmäßig jedes Jahr las, und dessen tiefergreifendste Stellen sich in meinem Ge-dächtnisse noch jetzt erhalten haben. Auch die Iliade und Odyssee21^) war mir wohlbekannt, und auf die Ge-
    ld
    fahr hin, getadelt oder verspottet zu werden, bekenne ich ganz offen, daß ich die letzte (die Odyssee) bei wei-tem meinem Geschmacke zusagender fand, als die Ilias. Das häusliche, idyllische Leben sprach mich an, ich fand mich wohl zurecht in der Wohnung des Odysseus, bei dem göttlichen Sauhirten Eumäos, und mit Freude begrüßte ich stets einen unserer großen Hofhunde, dem mein Vater den Namen Argos gegeben, wie ihn jenes treue Tier des vielgereisten Helden trug.
    Alles dies aber wich in meinem Gemüte vor der Messiade in Schatten zurück. Hier fand ich meine re-ligiösen Gefühle, meine Engel, selbst meinen Schutz-engel Ithuriel wieder (leider als den Hüter eines nicht ehrenvollen Schützlings, des Iskarioths)^^^). Unbe-schreiblich erhoben fühlte ich mich durch dies Gedicht. Klopstock ward der Gegenstand meiner innigsten Ver-ehrung. Ich schrieb mir, wie ich das überhaupt ge-wohnt war, eine Menge Stellen daraus ab, und be-schloß nun, auch dies Werk alljährlich einmal ganz durchzulesen, ein Vorsatz, den ich auch durch viele Jahre hielt und meine Lieblingsstellen auswendig behielt, da-von ich die meisten noch jetzt herzusagen imstande bin.
    Bald nach der Messiade las ich auch den Ossian^^^), und ergab mich mit süßem Hange dem düstern, aber namenlosen Zauber, der für mich in diesen Dichtungen wehte. Auch hieraus wurden Stellen abgeschrieben und viele davon im treuen Gedächtnisse bewahrt. Es war eine ganz neue Welt voll Wehmut, Erinnerung, Nebel und unbestimmten Gestalten, die aber eben des-wegen mein jugendliches Herz um so mächtiger anzog und mich zu Liedern begeisterte, in denen Anklänge aus jener düstern Region walteten und sich seltsam mit andern Eindrücken, die ich damals auf ganz ent-
    gegengesetzten Wegen erhielt, vermischten. In diese Zeit, nämlich 1788, 1789, 1790 fiel die Erscheinung der ersten Ritterromane jener Periode, von welchen die Schlenkertschen^^^), so wie Veit Webers Sagen der Vorzeit 217) ihrer Roheit und affektierten Schreibart wegen nicht viel Eindruck auf mich machten, dahin-gegen mich Herrmann von Unna, Walter von Mont-barry, Elisabeth von Toggenburg, vor allen aber Alf von Dülmen, mit einem Wort die'Naubertschen Ro-mane ^i®)

Weitere Kostenlose Bücher