Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
werden konnte. Auch gefiel er den Mädchen, meinen Gespielinnen sehr wohl, und manch kleiner Liebeshandel, wie es denn die damalige Sitte und Denkart mit sich brachte, knüpfte sich trotz seiner Jugend an. So wenig meine Gesinnung und mein Be-tragen gegen diesen treffhchen Jüngling in unserer Ju-gend zu billigen gewesen war, so hing ich doch jetzt mit desto wärmerer Liebe an ihm; ich kannte seinen tiefen Wert, ich achtete ihn aufs innigste, ja ich ord-nete oft und gern mein Urteil dem seinigen unter, das sich stets höchst eigentümhch und richtig erwies, und sagte ihm oft im Scherz, doch mit sehr ernstem Ge-fühl, daß ich ihn lieber heiraten möchte als alle an-deren jungen Männer, die mich umflatterten; aber du, setzte ich dann hinzu, du würdest mich nicht nehmen, denn mir fehlt, was dich an Mädchen am meisten reizt, ein majestätisches Ansehen und würdiger Ernst des Benehmens. Ich war nämhch stets sehr munter, nicht immer besonnen, und vor allem, ich weiß nicht, ob es mir zum Lob oder Tadel gereicht, nicht imstande, mein Betragen gehörig abzumessen, und meinem leb-haften Gefühl, dessen Ausdruck sich meist unwillkür-Hch in meinen sehr bewegHchen BHcken und Zügen malte, so zu gebieten, daß ich mir Herrschaft üJber an-dere dadurch hätte erwerben können. Ich gab mich und mußte mich geben, wie ich war, und wem ich so mcht gefallen konnte, auf dessen Neigung mußte ich verzichten, besonders da keine einnehmende oder schöne Gestalt mir zu Hilfe kam.
Zu unsern geseUigen Freuden hatte sich eine neue gefunden. Durch einen Jugendfreund und Schul-
kameraden meines Bruders, eirien Vetter jenes Baron K***, der jetzt im Felde stand, hatte die Lust und der Geschmack für kleine Hauskomödien sich bei uns ein-gebürgert. Des jungen Menschen Eltern, altbe-kannte und geschätzte Freunde der meinigen, die sich vor ein paar Jahren in Wien niedergelassen hatten, da sie früher in Ofen gelebt, erneuerten die freundschaft-lichen Verhältnisse gern; eine Tochter, nur um ein paar Jahre älter als ich, fand sich ebenfalls in dem Hause, und so bildeten wir jungen Leute einen vierblättrigen Klee, an welchem sich zwei und zwei Blätter stärker einander zu neigen begannen. Meinen Bruder zog die schlanke, ernste, hochgesinnte Therese, ein übrigens sehr schätzbares Mädchen an, und ihr Bruder, den ich, um ihn von seinem Vetter zu unterscheiden, Karl nennen will, brachte mir seine Huldigungen dar2^^). Aber er vermochte mein Herz nicht zu rühren. Um einige Jahre jünger als ich, noch Student, gutmütig, aber eitel, voll Talente, aber ohne Fleiß und erworbene Kenntnisse, war er von dem Bilde eines ernsten, wür-digen Mannes, den ich von ganzer Seele achten, oder eines geist- und kenntnisvollen, den ich bewundern hätte können, viel zu entfernt, um mir anziehend zu erscheinen. Auch trug die Erinnerung an seinen Vetter, der bereits als Mann wirkend und tätig ins Leben ge-treten war und seinen Platz mit Auszeichnung füllte, ebenfalls bei, ihn bei mir in Schatten zu stellen. Aber der junge Mensch war ein Tausendkünstler. — In wenigen Tagen hatte er für den Geburtstag des Va-ters ein kleines Theater gebaut und gemalt, ich wurde gebeten, ein Schäferspiel oder so etwas zu schreiben,, das sich für unser Personal, aus vier Personen bestehend, paßte. Gesang sollte auch dabei sein. — Ich entwarf
einen winzigen Plan, wir legten bekannte Arien ein, be-hielten den ursprünglichen Text bei, wenn er sich zur Szene paßte, oder ich dichtete einen andern, wie das Stück ihn erheischte. Am Ende war ein Schlußchor mit dem Glückwunsch und der Anwendung ange-bracht. So armselig das Ganze war, wenn man es ab-solut als Schauspiel, Dichtung, Operette und Deko-ration betrachtete, so machte es doch an Ort und Stelle durch Überraschung und gute herzliche Meinung den gehörigen Effekt, und wir erhielten alle großes Lob. Von da an erwachte die Lust und Freude an dieser Art von geselliger Unterhaltung in meinem Bruder und mir, und wir wußten bald unsere Eltern zu vermögen, uns ein kleines Theater bauen zu lassen, das, geschickt eingerichtet, sich leicht i.und in wenig Stunden abbre-chen und wieder aufrichten ließ, um den großen Salon, den mein Vater zu seinen Musiken, und wir selbst im Fasching sehr gern zu den kleinen Picknickes brauch-ten, die bei uns statthatten, immer zu gehöriger Zeit in einen Tempel Thaliens, und aus diesem wieder in seine ursprüngliche Gestalt umzuwandeln. Sobald un-ser Vorsatz, Hauskomödien (eine damals
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