Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
— von denen damals niemand in Deutsch-land den Autor kannte oder nur mutmaßte — ganz unbeschreiblich entzückten und in jene Zeiten ver-setzten, die sie so lebhaft schilderten. Alles im Hause gestaltete sich mir auf ritterlich altertümliche Art. Ich betrachtete alles in diesem Sinne, ich lebte in diesen Vorstellungen und war ganz glücklich, wenn ich wieder ein Werk aus dieser Feder zum Lesen erhielt. In meinem Kopfe wirbelten diese Bilder, diese Szenen, diese Gefühle; ich dichtete einige Romanzen, die ich jetzt im ganzen für herzlich schlecht erkennen muß, deren Eingänge aber nicht ohne poetischen Wert, und da sie nie gedruckt wurden, doch des Aufbewah-rens in diesen Blättern nicht unwert sind.
Die eine war dem Walter von" Montbarry entnom-men. — Ihr Inhalt war ein gefabeltes Abenteuer Richard Löwenherz, das er in Wien, am Hofe Herzog Leopolds sollte bestanden haben. Daß Österreich und seine Herrscher ziemlich schlecht in jenem Ro-mane und so auch in meinem Gedichte erscheinen, irrte mich damals nicht und irrte auch niemand in meiner Romanze. Eswar die Zeit der Verirrungen. Protestanten hatten sich seit der Reformation der deutschen Litera-tur bemächtigt, um den ■ katholischen Glauben und
den Staat herabzusetzen, der seit 300 Jahren dessen mächtigster Schirm in Deutschland gewesen; eine Ten-denz, welche durch die ganze deutsche Literatur und wohl auch durch die Literatur anderer; Länder geht. Wahrlich! wäre Österreich so in Nacht und Barbarei versunken, wie sie uns gewöhnlich und mit Lust schil-dern; hätten seine Herrscher, seine Staatsmänner und Kriegshelden sich solche Schwächen, Fehler, Unge-schicklichkeiten, Ungerechtigkeiten usw. zu schulden kommen lassen, als nach den Angaben jener Schrift-steller geschehen war, so hätte der österreichische Staat längst in sich zusammenstürzen müssen. Daß dies nicht geschehen ist, daß er nach so vielen Bedräng-nissen, schweren Kriegen, blutigen Niederlagen und beständigen Anfeindungen, obwohl aus heterogenen Teilen bestehend, sich nicht allein erhalten hat, son-dern gewichtiger und glänzender im Staatenvereine von Europa dasteht als je, ist wohl die beste Wider-legung jener parteiischen Schmähungen, deren allzu lauter Ton sich erst seit 1813 etwas gemildert und billi-gern Ansichten Platz gemacht hat. Seit nämlich-das, von allen im Kampf mit dem Riesen der Revolution verlassene Österreich, das einsam, blutend, aber doch herrlich nach der Schlacht von Aspern auf dem Wahl-platze stehen geblieben war, von jenen Feinden selbst um seinen Beitritt, Schirm und Hilfe ersucht ward und sich aufs neue in seiner Kraft erhob, um Deutschland zu retten. Ohne Österreich, was hätte Preußen aus-richten wollen, dem seine lobhudelnden Schriftsteller doch gern den Ruhm jener Befreiung allein zuschrei-ben möchten ?
Damals also, um wieder auf jene Zeiten einzulenken, von denen früher die Rede war, dachte niemand an
Österreichs Ruhm, an seine geschichtHche Würde, an die Taten seiner Voreltern. Was hinter dem sechzehn-ten Jahrhundert lag, wurde Barbarei genannt, unsere Nationalgeschichte war uns fremd, wir lernten sie als etAvas neues in der Jugend wie die französische oder englische, und die meisten Geschichtsbücher, die man der Jugend gab, waren ja von Protestanten oder pro-testantisch aufgeklärten Katholiken geschrieben. So gestaltete sich vor unserm Blicke Vaterland und Reli-gion in diesem Sinn. Wir waren weder rechte Katho-liken noch rechte Österreicher und in selbstgefälligem Eigendünkel, der nur uns allein von dem allgemeinen Tadel ausnahm, sehr bereit, über alles zu spotten, was in unserm Vaterland geschah. Das war damals Geist der Zeit, er hatte auch mich ergriffen, und so wählte ich den Stoff zur Romanze aus dem Romane, der auf mich einen tiefen Eindruck gemacht hatte und hielt mich an die Fiktion desselben, vermöge welcher Blondel nach Richards und Walters Tod sich mit Mathilden, der Geliebten, der Gattin des ersten, auf eine Insel des Mittelmeeres zurückzieht (wenn ich nicht irre, eine der Hyeres) und dort ihrem und seinem Schmerze lebt.
Ein leises Lüftchen schwebt um mich,
Füllt mich mit süßer Trauer.
Der Harfe Saiten regen sich,
Es bebt das Gras der Flur, und mich
Ergreift ein heiiger Schauer.
)
Woher, o Lüftchen i Spieltest du
Um eines Freundes Hügel?
Wie — oder schwebet ungesehn
Ein Geist um mich, bist du sein Wehn,
Das Rauschen seiner Flügel.''
Bist du vergangner Zeiten Hauch, Die längst vergessen
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