Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
poetischen Texten in meine Sammlung »Sentimentale Tiergeschichten« aufgenommen hatte. Daß mir Such- und Bewerbungsanzeigen in der Fachpresse fast noch besser zusagen, seit Jahren mehr als jeder Roman, die eigenen inklusive: Liegt’s an der Authentizität?
Oder doch mehr daran, daß ich seit besagtem Zeitraum zuerst klammheimlich, dann immer entschlossener regrediere?
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Hat man so was schon gehört? Gelesen immerhin hier:
»Kurt Drawert ist eine der wichtigsten und unbestechlichsten Stimmen im Lande«, schreibt Joachim Sartorius über diesen Autor irgendwann um die Jahrtausendwende in die Süddeutsche Zeitung hinein – aber, von der inhaltlichen Gehaltlichkeit einmal fast wegzusehen: »bestechlich« läßt sich vielleicht und zur Not steigern – aber »unbestechlich«? Ist diese sowieso seltene Eigenschaft noch steigerbar, und sei’s verteilt auf (»eine der«) einige? »Einige Unbestechlichste«? Ja, wirklich?
Erneut Fragen über Fangfragen. Wir sollten sie und uns nicht überstrapazieren. Denn gemeint hat der Sartorius ja sowieso »bestechendsten«. Das ist zwar auch ein unsinniger Superlativ. Vor allem im Verein mit der Stimme Drawert. Aber dafür ist auch der Name Sartorius kaum mehr steigerbar, wie er da vor uns hin petert und im Verbund mit dem ganzen Satzquatsch (falls das Zitat nicht eh erlogen ist) eine der süddeutschesten Edelstzeitungen vollrohr wichtigtuerischt auffüllt.
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Robert Gernhardts Tod im Sommer 2006 fiel sozusagen mitten in die Zeit seiner wenn nicht größten Popularität, so seiner höchsten »öffentlichen« Präsenz, seines kaum mehr höher zu hebenden – aber was heißt das? – Prestiges, Renommees.
Ich hatte mich in den Jahren davor mit ihm als dem vormals ragenden Leitbild und zugleich vergleichbarsten Kollegen einigermaßen auseinandergelebt und seit 2001 nominell separiert, aus diversen, sich die Hand reichenden Gründen; sei’s, daß er halt ohne jeden Bedarf und m.E. allzu wahllos jede Art und Menge Preise abgriff (nur nicht den von ihm sehnlich angepeilten und erhofften sogenannten »angesehensten« des deutschen Literaturauftriebs); sei’s, daß er Privatbriefe in Blocksatz verschickte – meint: Du kriegst eine Kopie dessen, was eh schon mal nach Marbach geht oder ging; sei es, daß er widerwärtige Großgeburtstagsaufläufe des widerwärtigsten deutschen Literaturkritiksimulators hechelnd mitabsolvierte.
Mag sein, daß der späte Gernhardt ein wenig gar sehr dem Ehrgeiz, der Eitelkeit, der Sehnsucht nach »Glück Glanz Ruhm« im Sinne eines vorher noch halbironisch aber auch schon zaunpfahlwinkend affirmativ ernstlich gemeinten Buchtitels von 1983 nachhing. Sein mag auch, daß diese von ihm im Grunde nie geleugnete Prägung, die auf Erfolg und die Folgen ausging, durch die ihn seit ca. 1981 verfolgenden Schicksalsprügel sich nochmals verstärkter geltend machte. Nicht abgesehen sei aber darüber von einem zuletzt recht vergessenen und vorne schon gewürdigten Gernhardt. Fast war ich nach seinem Tod selber davon überrascht, daß es auch den gab oder gegeben hatte, als ich von ihm frühe Briefe von 1971ff. fürs Marbacher Archiv aufbereitete und wiederlas. Wie verblüffend kollegial, ja altruistisch, empathisch, brüderlich, herzlich bis leidenschaftlich teilnehmend er sich für die frühen Sachen des Jüngeren stark machte, den vorgeburtlichen »Vollidioten«-Roman zumal – als wär’s ein Stück Debutprosa von ihm selber! Und überhaupt kein Konkurrent! Nachlesen kann man das schon partiell in Gernhardts älterem Sammelband »Was gibt’s denn da zu lachen?« und, vollständiger, eben zu Marbach am Neckar – nicht nachlesen möchte ich dort oder im öffentlicheren Buch seine tagebuchartigen »Brunnenhefte«, nein, ein sehr sicherer Instinkt sagt mir, das muß dann doch mehr Thomas Mann als Gernhardt sein.
Wenn auch ein etwas klügerer Thomas Mann.
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Oktober 2010. Schön ist, wenn doch immer wieder mal Neues vom allzeit gigantischen Heino Jaeger (1938–97) in Erscheinung tritt. Allein, ob es wirklich sein mußte, daß sein Züricher Verlag anläßlich der neuen CD »Sie brauchen gar nicht so zu gucken« die glorreiche 10-Minuten-Sketchnummer »Die Kündigung«, anstatt diesen irgendwie übriggebliebenen Dreck einfach wegzuschnipseln, von einem nur allzu bekannten Satiriker und Jaeger-Promotor »anmoderieren« läßt; obwohl der Quadratdreck selbst für die Verhältnisse jenes Satirikers schon um 1970 ein überbordender war und jetzt halt
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