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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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damals in Vaters Garten immer nach Regen. Klar, weil sie dann um ca. 3 Prozent an Gewicht zunahmen; was beim Verkauf stark zu Buche bzw. Schallplatte schlug.
    So weit reichte die List, deren ich damals, zwischen mittlerer und oberster Reife, bereits fähig war. Und, nicht unwert, es festzuhalten: Immerhin erlaubten mir beide Gärtner-Eltern das Geschäft, ohne dafür Prozente zu nehmen.
    *
    Daß die frühen Hörerlebnisse mit den im Umlauf befindlichen Mono-Schallplatten später weder durch Stereo noch durch Duplo, noch durch siebendimensionales kosmisches CD/DVD/MP 3-Hören aus neun Lautsprechern, noch durch sonst gottweißwas je mehr einholbar oder gar steigerbar waren, das leuchtet außer den Technik-Infantilen und den Berufs-Inferioren jedermann ein. Es mag traurig stimmen, ist aber nicht korrigierbar: Die noch untrainierten, aber ausgeruhten, sogenannten unverbrauchten Ohren leisteten im Verbund mit dem auch noch nicht sehr korrumpierten Hörhirn Nichtwiederholbares an Rezeptions- und in der Folge an Gefühlsvermögen. Was für Mozart und Verdi und ganz allgemein wahr ist, das ist noch etwas wahrer für die Beethovenschen Neune im Zuge meiner ersten (eine unter noch ganz wenigen) Gesamtaufnahme-Kassette mit dem Wiener Pro Musica Symphonie Orchester unter Horenstein und anderen. Wenn die Eroica in ihrer ganz und gar morgenflügelisch und gewitterlich neugeschaffenen Weltverfassung überhaupt adäquat in einem Kopf anzukommen vermag, dann am ehesten in dem ja nicht mehr so ganz dummen eines 14- oder 15jährigen – Carson McCullers hat es im Roman »Das Herz ist ein einsamer Jäger« ein bißchen blumig und beifallsspekulativ, aber im Prinzip richtig beschrieben.
    Insofern habe ich werweiß für nichts im Leben so dankbar zu sein wie für den freundlichen Zufall, nicht in eine Familie mit Bildungsbürgerstatus hineingeboren worden zu sein. Hätte ich da nämlich Beethovens Zyklus schon mit 7 oder 9 oder (man hört dergleichen) mit 5 aufgepreßt gekriegt, unvermeidlich hätte ich mich dazu verdammt gesehen, ihn lebenslang hassen zu müssen.
    Zumindest die Sinfonien. Das Streichquartett op. 59,1 hätte ich eventuell doch nicht gehaßt haben müssen. Oder jedenfalls: gehaßt.
    *
    Andererseits muß ich mit etwa 14 oder 15 im Sinne von Aufklärung wie von Humorniveau auch schon ein ziemlich biederes, ja dürftiges Hirn gewesen sein. Denn meiner Erinnerung entgeht leidergottes nicht, daß und wie ich im betr. Englischunterricht sowohl über das Wort »vicar« als auch noch übers nur entfernt anzügliche »whistle« sogar laut auflachen, ja aufwiehern mußte.
    Ich muß, wir müssen damals, noch unter Adenauer und Elly Heuss-Knapp, wohl allesamt im Untenrumbereich extrem unbedarft, ja dämlich gewesen sein – o ja, sicher, die Damens und Dämchen waren da doch bereits ein bißchen weiter.
    Meine, unsere Dümmlichkeit hatte sich schon zwei Jahre vorher anläßlich eines Zeltlagers bei Michelfeld/Pegnitz auffällig gezeigt. Als nämlich, kaum waren unsere Zelte aufgerichtet, ein drei Mann starker Trupp etwa Gleichaltriger, also gut Zwölfjähriger, unterm Zelteingang erschien. Buben aus dem Dorf, die uns wie in schwer cooler Westernmanier zur Kenntnisnahme zwangen – und schon nach ein paar Sekunden mit der scharfen Frage überfielen, ob wir vielleicht schon »focken« täten. Meine mutige Antwort, nein, bei uns in Amberg heiße das nämlich wie wohl überall »ficken«, drang bei dem kopfschüttelnd es breitbeinig besserwissenden Häuptling von ca. 1,35 Meter Größe nicht durch. Zu Recht nutzte sie mir wenig. Wir vermochten weder das eine noch das andere. Die Ehesten in unserer Generation waren nach meiner Erinnerungsarbeit und sporadisch genug mit 17,5 so weit.
    *
    Ein äußerst bedenklicher Mathematiklehrer und Masochist – er freute sich ganz ungeniert und mit blasiert erheiterter Miene an den vielen Fünfern und Sechsern der ihm anvertrauten und ausgelieferten Schüler – pflegte immer wieder uns ca. Zwölfjährige hundertmal schreiben zu lassen: »Ordnung ist das halbe Leben.« Zumindest das zweite konnte ich damals so schlimm nicht finden – blieben ja also immer noch fünfzig Prozent für die Freiheit. Und telepathisch vorausahnend wußte ich, daß es Goethe nicht viel anders gesehen hatte, sondern genau so: »Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.«
    Wann der Name »Goethe« mir zum ersten Mal über den Weg flog, wüßte ich freilich kaum mehr zu sagen. Bin aber sehr sicher, daß er mir einen

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