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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Liv Ullmann und ihr bärtiger Ehemann und Rammler nach endlos sich wiederholenden Folgen endlich ausgestritten und ausgezetert hatten, da – fing der Terror wieder von vorne an mit ihrem zuerst jeweils verhaltenen, dann immer garstigeren Gezänke, unbremsbar, hartnäckig und wie beflissen stetig ihrer beider Eheschlamassel erneuernd – und endlichendlich, nach wohl schon zweieinhalb Stunden bescheuertster Geschwätzigkeit bis hin zum Geschrei, ward mir auch der Urgrund des ganzen unseligen und sogar prekariatsehenmäßig seltsamlichen Geweses offenbar: Immer wenn Ullmann und ihr Beschäler wieder mal halbwegs ausgesöhnt schienen, schütteten sie zur Feier dessen und überhaupt des Lebens beachtlich große Becher eines bräunlichen Schnapses in sich hinein, wie in übergroßer Drangsal und in kaum ersprießlich eiligen Folgen, ein Getränk von starker Ähnlichkeit mit den in meiner mittelbayerischen Heimat damals sehr beliebten Lockstedter oder auch Sechsämtertropfen, ein süßes und sehr dummmacherisches und zumindest in Bergmans hohem Norden wohl auch streitsüchtig wirkerisches Zeug – und schon, hast du nicht gesehen, fingen verdrießliche Rangelei und Krawallschlägerei des Ehepaars wieder von vorne an. So daß der Film eigentlich von Rechts wegen statt »Scener ur ett aektenskap« besser »Scener ur ett saeksemterlivet« heißen hätte sollen, ja müssen. Ich aber, der Nicht-Filmkritiker und Nicht-Filmologe, war offenbar, den damaligen Auslassungen der Profis vonwegen Gott- und Sinnsuche nach zu schließen, der einzige, der das Gesetz des Schamotts erkannt hatte, der einzige inklusive seines begnadeten Schöpfers.
    Sie glauben mir nicht? Dann gehen Sie halt zur Strafe bei irgendwelchen Bergman-Festival-Reprisen-Reviews ins Kino. Oder drehen wenigstens den Fernseh auf. Und »da schaun S’ amal nei!« (G. Polt) in den Schmarrn.
    *
    Ob meine frühe und bis heute anhaltende Zuneigung zu Joseph von Eichendorff schon im Kinde vorab widerhallend abgezeichnet war durch heftig ausgelebte Wandersucht, durch den unwiderstehlichen Drang des Fünfjährigen, sämtliche Wohnungen der Nachbarschaft und z.T. möglichst auch deren sämtliche Betten heimzusuchen; ob sich einleuchtend daraus schon ablesen ließ, was ab ca. 1970 in Frankfurter Kollegenkreisen sich als mein Schmuckname »Wandersatiriker« niederschlug, also ein Mensch, der häufig die Reiseschreibmaschine zwischen Bayern, Italien (meist: Cinque terre) und dann wieder Frankfurt hin und her schleppte: das müssen die gelernten Psychologen und Onto- und Phylogenetiker und Atavismusforscher bedenken und klären; sie können es aber mit Gewißheit nicht.
    Noch weniger freilich deuten den Widerspruch zwischen solch unableugbaren und »biederherzigen« (Wackenroder) Wanderseligkeiten und einer gewissen und mit den Jahren zulegenden Ängstlichkeit, Bangigkeit, einer sich vom aktuell repräsentativen Reisedeutschen eklatant abhebenden: Fortschreitend meinen kleinen und großen Reisen zuverordnet war und ist der Wunsch schon bei der jeweiligen Ankunft, sei’s in Palermo, sei’s in New York oder auch Kasan, sei’s im albanischen Tirana und später sogar in der Nebenheimat Arosa, so bald als möglich wieder zu Hause zu sein, »am Orte« (Heino Jaeger); der starke, fast schon erbitterte Wunsch, etwas genauer beobachtet, die Stunden und Tage bis dahin möchten doch wenigstens schneller vergehen.
    Nein, Psychologen wären damit noch überforderter als ich selber, am ehesten kommt der Sache, dem Rätsel, nahe die bekannte Verschwisterung der romantischen Blauen Blume und des Eichendorffschen Komplementärgefühls Heimweh – oder eben das uns allen vertraute Novalis-Motto aus dem »Ofterdingen«:
    »Wo gehn wir denn hin?«
    »Immer nach Hause.«
    Allerdings, ich fürchte, hier hilft weder die psychologische Hausapotheke noch der alte Novalis viel weiter. Und ich muß mich also nächstens selber mutig in die terra incognita irgendwelcher höchstpersönlich mir allein eigener Urängste vorwagen. Bin schon gespannt.
    *
    Variatio delectat, oder: Wie’s kommt, kommt’s:
    Kompositionsversuche, Komponierbemühungen gab es im Leben drei, ganz und gar unterschiedliche. Die erste, 1961, inzwischen einzusehen als Original im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg, betraf Gottfried Benns (auch ich war ihm ja zuweilen wohlgesinnt) Gedicht »Es trägt die Nacht, das Ende« aus dem Oratorium »Das Unaufhörliche« – kaum wurde von mir berücksichtigt, daß sich an ihm, wie man der

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