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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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Chefin gegenüber der Bestellung, sehr bittend, ja fast bitterlich vorgetragen, zum Ausdruck verhilft: »Eine Frage: tät’ Ihnen ein Cappitschini beschwerlich fallen?«
    Das Genialische der Frage besteht und beruht wohl vornehmlich in ihrem subkutan Mitzudenkenden: Daß nämlich (ich habe seither Tests gemacht) keinem einzigen von zwanzig deutschen Italienern das Wort »beschwerlich« zu Gebote steht. Ja, ab spätestens der Jahrtausendwende ist es sicher auch 97,5 Prozent der Deutschen zu beschwerlich geworden.
    Er war, der Roman-Schwager »Streibl«, selber ein zuweilen beschwerlicher, unterm Strich aber einer der interessantesten und zwischen Marx und Hemingway erheiterndsten Charaktere meines Lebens.
    *
    »Also Sie: noch so einen großen Roman schreiben, alles was recht ist, ich könnt’s nicht diese Woche. Sie: da braucht’s eine solche Energie, eine Kraft braucht’s dazu, Sie machen sich keinen Begriff, was für eine Kraft das braucht, so einen richtigen großen Roman zu schreiben.«
    Soweit schon richtig vom Verfasser der Zeilen, F.W. Bernstein (Meine Romantheorie, 1995), beschrieben; geahnt mehr als gewußt, denn er hat keine wirkliche Erfahrung, keine praktische, keine veritable. Nach den gut 500 Seiten »Mätresse« lautete, schon zum Arbeitsfinale hin, der Eid: Nie mehr! Einmal ist genug! Kein Mensch bezahlt den vitalen, den Gesundheitsverlust, wähnt auch nur die von Flaubert kaum übertrieben beseufzte Tortur, Lusttortur, wie er es mehrfach nennt, in gleichfalls lusttorturhaft sich wiederholenden Formulierungen brieflich etwas gar dickmacherisch nennt.
    Aber damit im Kern recht hat. Zu wissen, daß alle Welt Juni, Juli, August sich so unentwegt wie unverdrossen ewig im Schwimmbad wälzt oder im Ausland herumeiert, zu paramilitärischen Bodenbodenschießvolksaufläufen hinrennt, auf Wald- und Wiesen- und Höhlen- und sonstigen tobenden Bier- und Bratwurstfesten herumnudelt als in des Volkes wahrem Himmel und überhaupt keine Ruhe mehr gibt, Tag für Tag und monatelang und ohne Pause – indessen der Romancier bei 26 bis 37 Grad Zimmertemperatur unverzagt kleinste stilistische Verschönerungen und noch kleinere gestaltpsychologische Verbesserungen auf S. 171 und 353 und ausgerechnet auch noch 507 auszutüfteln hat, vom inneren Dämon gezwungen, vom Korrektheitsteufel gepeinigt und damit sein eigener allergrößter »Peiniger« (Dostojewski, Der Jüngling), versunken in sein dubioses Weininger-Freudsches Gegenglück des Verzichts, vergessen von aller Welt und fast ihr schon abhanden gekommen, und allenfalls spätabends von ein paar eisgekühlten Bieren getröstet und aber untertags von so gut wie ununterbrochen geschmauchten und eingesaugten Gitanes-Zigaretten dem Grab noch schleuniger nähergebracht –
    Und ästimiert, auch nach Fertigstellung, wird alles so gut wie gar nicht – nein, nie mehr, nie mehr!
    Allein, bereits fünf Wochen später läßt das Verdammungs- und Verdammtheitsgefühl schon wieder ein bißchen nach, nach fünf Monaten schiebt sich die neue (Vor-)Lust an der Torturerwartung vorbei – und nach genau fünf Jahren ist es abermals so weit, mit 500 Seiten »Dolce Madonna Bionda«-Qual auf ein Neues.
    Und diesmal sogar, am 27. Juli 1983, placiert am Schreibtisch inmitten des 1,5 Kilometer weit entfernten deutschen Jahrhundert-Hitzerekords von 40,2 Grad Celsius!
    *
    »Egregio Professore!« Es ist nicht ganz klar, ob mir Italo Svevos Tochter Letizia Fonda Savio nach einem Triest-Kennenlernbesuch im April 1979 ein paar Monate später diese briefliche Anrede zuteil werden ließ, weil sie aus meinen vier an sie geschickten Texten über ihren ein halbes Jahrhundert vorher verstorbenen Vater besonders tiefgründendes Verständnis herauslas; oder weil man in Italien mit mindestens drei halbwegs essayistischen Zeitungs- oder Radiotexten eben Professor ist.
    Das zweitere scheint dabei das erstere als Legitimation fast zu überwölben.
    Ein eigenartiges Völkchen.
    *
    »Die nie göttlich genug zu verehrende Sprache«, bejubelt Gottfried August Bürger. Hier steht ein teuflisch genuger Fehler drinnen. Oder jedenfalls drin.
    Allerdings sind es genau zu nehmen gleich drei Fehler. Ein grammatikalischer, ein logischer und ein theologischer.
    Ansonsten hat mich G.A. Bürger im Leben recht wenig interessiert. Mit einer Ausnahme. Nämlich im Zusammenhang eines klärenden Goethe-Worts an Eckermann, begründend, warum jener Bürger auch ihn, Goethe, wenig gejuckt habe – und dies aber so

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