Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
schön, daß Bernd Eilert und ich es in unser Schau-/Hörspiel »Eckermann und sein Goethe« von 1974 mitaufgenommen haben:
»Ein Mann, der in seinem 30. Jahr ein Gedicht wie die ›Frau Schnips‹ schreiben konnte, mußte wohl in einer Bahn gehen, die von der meinigen ein wenig ablag.«
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Am 28. Februar 1972 schreibt mir bzw. (das wird nicht so ganz klar) der »pardon«-Redaktion Monika Schlotthauer aus 65 Mainz-Mombach:
»Betr.: Die Henscheid-Scheiße bezw. Samenerguß. Ei, sieh mal an: Ein pardon-Patriarch hat wieder mal onaniert. Herr Henscheid streichelt sein Schwänzlein und freut sich über die Bereitwilligkeit etlicher Frauen sich als Sexualobjekte so richtig schön ausbeuten zu lassen. Herr Henscheid kommt sich in seiner chauvinistischen steifer-Schwanz-Position sehr witzig vor; aber ist er denn wirklich steif, Eckhard? Du ungeheuer progressives Ausbeuterschwein? Du dumme maskuline Drecksau mit der nur allzu bekannten Suprematieanmaßung! (…) Für Nazihunde das Schicksal, das sie verdienen! Solidarität alle Schwestern und feministische Brüder!«
Welches Los mir »Faschistenschwein, Herr Henscheid« verdientermaßen bevorsteht, also wie genau ich Verruchter mich mit Stumpf und Stiel ausrotten solle, das wird in der Hektik nicht genauer gesagt, wahrscheinlich Steinigung als Inversion der orientalischen Frauenausbeutersuprematisten – naja, es war halt ein Brief, bei dem einfach zu sehr die Fetzen flogen, als daß für die Frage nach der ohnehin ebenfalls faschistischen Schweinejustiz auch noch Zeit und Raum gewesen wäre. Und apropos: »Valerie Solanas schlägt Selbstmordcenters für die brutal-stupiden Arschlöcher vor.«
So weit wollte ich nun meinerseits auch wieder nicht gehen, auch wenn der Schlotthauers der alles in allem wohl unfreundlichste Brief meiner Karriere war. Wahrlich, diese erste nachkriegsdeutsche Frauenbewegung von 1970ff., die mich ja doch eigentlich z.B. als zustimmenden Germaine-Greer-Buchrezensenten und sogar kurzzeitigen Schwarzer-Quartiergeber voll auf ihrer Seite sah, auch wenn ich dem Frankfurter »Weiberrat« in den »Vollidioten« ein gutmütig spottendes Kleindenkmal geschenkt hatte –: diese Bewegung unter Solanas und eigentlich lang vor Alices Einstand, sie ließ auch in der zeitlichen und inhaltlichen Meinhof-Schimpfakkordanz nichts anbrennen; sondern die allzu lang verbittert kasernierten Frauenherzen in eine Explosion, in eine Emanation von Emanzipation bis hin nach Mainz-Mombach bersten. Lustwütend ließ sie es einfach krachen. Die so verbrecherisch lange Zeit verbotenen Gedanken und vor allem Gefühle der Männerbeherrschten, jetzt schossen sie ans Tageslicht. Jetzt wurde die Sau aber auch schon sowas von vollrohr (»geil« sagte man damals noch nicht) herausgelassen, daß – kein geringerer als ich das gemaßregelte Opfer war. So einfach war das damals.
Dem mich schwerst schurigelnden Schlotthauerschen Brief schloß sich merkwürdigerweise eine kleine Korrespondenz an, der Ton wurde rasch moderater und weniger mit Schrott um sich hauend und beinahe schon vernünftig – zu beider Seiten Wohle; hätte Monika weiter gewütet und zum Tode verurteilt, der Briefwechsel wäre nach dem rasch zur visio beata werdenden Wunsch des Verlegers und seiner frauenfeindlichschweinekapitalistischen Präferenzen wiederum ins Satireblatt eingedriftet. Dort war im Februar auch der Ausgangspunkt des brieflichen Furors gestanden, eine ziemlich brave, ja harmlose Satire auf den immer noch walkenden Wahn der damals allzeit sog. Sexwelle; eigentlich mehr der Männer als der Frauenopfer spottend; aber diesen doppelt fiesen Trick hatte Schlotthauers Monika natürlich sofort durchschaut. Und mich dazudem beim Onanieren erwischt und beobachtet. Das damals in fortschrittlichen Weiberkreisen noch verbotener war als beim römischen Papst, zu der Zeit war es der sogenannte Pillen-Paul.
Als »Faschist« durchschaute man mich auch sonst nicht so ganz selten, mehrheitlich viel später aber mehrfach als ewiggestrigen »Rechtskonservativen« und »Rechtsradikalen«; mich, der vielen und vor allem manchen ignoranten Medien gleichzeitig oder vorher als »Leitfigur der Linken« o.ä. galt. »Der größte Kotzbrocken«: eine ungefähr adäquat wenig zimperliche Wortwahl bevorzugten schon im Titel ihres (Radio?)-Essays von ca. 1990 Martin Bögeholz und Lutfrid Bennauer – ich selber hatte diese beliebteste aller Schwerkraftinvektiven im Zuge meines Schaffens wohl nur ein- oder zweimal
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