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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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und wechselten während des ganzen Weges kein Wort. Der Alte blickte vor sich auf die Straße, und Michael rauchte zwei Zigaretten, bis sie auf dem Parkplatz vor der Notaufnahme ankamen, wo er die Rufe des Wächters ignorierte und mit der Hand auf das Polizeinummernschild deutete. Dann eilten sie zum Fahrstuhl und fuhren in den siebten Stock hinauf.
    Im Korridor, gegenüber dem Fahrstuhl, trafen sie auf Eli Bachar, der auf einem der orangefarbenen Stühle saß, und im Zimmer – sie hatten nicht angeklopft – war Gold mit seinen Protokollen beschäftigt. Jakob lag auf dem Bett, die halb geschlossenen Augen öffneten sich, als die Tür aufging. Gold stand in dem Augenblick auf, als der Alte das Zimmer betrat, und Michael lächelte fast über seine Erregung. Mit zusammen gepreßten Lippen bat Hildesheimer Dr. Gold, den jungen Mann und ihn allein zu lassen. Michael verließ hinter Gold das Zimmer.
    Sie saßen etwa eine Stunde draußen, ohne zu sprechen. Auch Eli Bachar schwieg. Michael rauchte noch zwei Zigaretten und dankte Eli für den Kaffee, den er brachte. Gold lehnte weiteren Kaffee mit einer Kopfbewegung ab.
    Als der Alte das Zimmer verließ, war sein Gesicht grau. Michael begann, sich um seine Gesundheit Sorgen zu machen, und schlug vor, in der Cafeteria etwas zu trinken, was Hildesheimer wortlos, mit einer verneinenden Geste, ablehnte. Er nickte Gold zu und begann eiligen Schritts zum Fahrstuhl zu gehen. Der Inspektor mußte sich beeilen, um an seiner Seite zu bleiben.
    In dem Augenblick, da sie beide im Auto saßen, noch bevor Michael den Wagen starten konnte, wandte der Alte sich ihm zu und sagte. »Gut. Und was jetzt?«
    »Jetzt«, sagte der Inspektor heiser, »müssen wir alles beweisen, das ist der schwerste Teil. Wir haben ein Motiv, einen Anlaß, ihr Alibi können wir knacken, aber wir müs sen alles beweisen.«
    »Wie wollen Sie das tun?« fragte der Alte und trommelte mit seinen Fingern aufs Knie.
    Endlich gelang es Michael zu antworten. »Ich habe einen Vorschlag, aber wir sollten das nicht im Auto besprechen. Der Vorschlag ist kompliziert und verlangt von Ihnen viel.« Hildesheimer erwiderte nichts.
    Um halb zwei saßen sie beide im Arbeitszimmer Hildesheimers, als hätten sie es nie verlassen.
    Michael steckte sich eine Zigarette an und lehnte höflich die Einladung zum Mittagessen ab, die der Alte halbherzig vortrug, nachdem Frau Hildesheimer ihren Lockenkopf gezeigt hatte, um auf Deutsch eine vorwurfsvolle Frage zu stellen.
    Hildesheimer hörte sehr konzentriert zu, als ihm Michael seinen Plan unterbreitete. Michael schilderte ausführlich, was den Alten erwarte. Einige Male wiederholte er, daß man auf konventionellem Wege in eine Sackgasse gerate, und zweimal sagte er entschuldigend, daß die Lage, in die der Professor gerate, ihn zwingen werde, seine heiligsten Prinzipien zu verraten. Aber der Alte unterbrach die Entschuldigungen und sagte, man könne es auch genau umgekehrt sehen, als Maßnahme zur Verteidigung eben dieser Prinzipien. Um zwei Uhr mittags wählte Professor Ernst Hildesheimer Dina Silbers private Telefonnummer; sie aß gerade zu Mittag. Hildesheimer bat sie, um vier Uhr zu ihm zu kommen.
    Pünktlich um drei öffnete Hildesheimer den Polizeitechnikern die Tür. Sie untersuchten die Wohnung und durchstreiften die Zimmer. Michael saß im Sessel und wartete schweigend. Der Alte stand neben dem Fenster. Jemand klopfte an die Tür und trat ein. Schaul wies mit einer Kopfbewegung zur Wand und sagte: »Gut. Meßt den Rest auch aus. Wir werden uns im Schlafzimmer aufhalten müssen. Dort ist eine Nische, die Wand ist dünner. Wir haben etwas Schmutz gemacht, aber später bringen wir alles wieder in Ordnung.« Er blickte den Alten fragend an, als habe er sich, trotz wiederholter Mahnungen Michaels, daß man den Analytiker vorsichtig behandeln müsse, nicht ausreichend entschuldigt. Hildesheimer wirkte, als ob ihn dies nicht berühre. Er war mit den Gedanken woanders, in einer anderen Zeit. Er stand am offenen Fenster und sah in den vernachlässigten Garten hinaus, der in der Mittags sonne des Jerusalemer Frühlings lag. Michael erschauerte, als er daran dachte, daß der Alte vor zwei Wochen achtzig Jahre alt geworden war.
    Als man pünktlich um vier die Türglocke hörte, waren Schaul, Ochajon und die Techniker auf ihrem Posten.
    Dina Silber trug das rote Kleid, in dem Michael sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war blaß, und ihr Haar, das bläulich schimmerte, verdeckte ihre Augen.

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