Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
verwöhnt zu werden. Ihr Mann ist irgendein Ultrakonservativer, ein Richter. Vielleicht haben Sie schon von ihm gehört?«
    Michael hatte von ihm gehört und kannte ihn auch. Ein kleiner Mann, trocken, pedantisch und tatsächlich ultrakonservativ. Einer der strengsten Richter, die der Bezirk je erlebt hatte. Er konnte sich diese jugendliche, schöne Frau nicht recht in einem Bett mit dem Mann vorstellen, den alle nur »Hämmerchen« nannten, weil er keinen Lärm im Ge richtsgebäude duldete und unaufhörlich auf das Richter pult einschlug. Michael schätzte, daß ihr Mann mindestens zehn Jahre älter als sie sein mußte. Sie schien Mitte Dreißig zu sein, und ihr Mann war sicherlich Mitte Vierzig, wenn nicht älter. Mit unverhüllter Neugier fragte er Linder, wie alt sie sei.
    »So, das interessiert Sie also auch. Nun, Sie sind nicht der einzige.« Linder lächelte. »Im vergangenen Monat ist sie siebenunddreißig geworden. Ich verstehe auch nicht, was sie, abgesehen vom Geld, von dieser sauren Gurke will. Aber sie ist eben nicht bei mir in Analyse gewesen und hat auch niemals angedeutet, daß sie mit mir darüber sprechen wollte.« Er ergänzte ungefragt, daß sie bei »Ernst dem Großen« höchstpersönlich in Analyse gewesen sei. Anschließend blickte er auf seine Uhr und sagte, daß er Daniel vom Kindergarten abholen müsse. Es war fast zwölf Uhr.
    Er wirkte erschöpft, als er sich erhob, den elektrischen Ofen abstellte und die Kaffeetassen an ihren Platz brachte.
    Linder war so in Gedanken versunken, daß er nicht einmal den Umweg bemerkte, den Michael auf dem Weg zum Russischen Platz machte. Michael fuhr an Hildesheimers Haus vorbei, wo er, zu seiner Erleichterung, den PeugeotTransporter sah, dessen Vorhänge heruntergelassen waren, und seine Besatzung, einen Mann neben der geöffneten Motorhaube und einen am Fenster mit Blick auf die Haus tür des Alten.
     
     
     

Neuntes Kapitel
     
     
    Als Joe Linder aus dem Auto stieg, schaltete sich der Sprech funk ein. Der Chef suche Inspektor Ochajon, meldete eine fremde Stimme aus der Zentrale, Michael solle sofort ins Büro kommen, man erwarte ihn zur Lagebesprechung. Wo er denn überhaupt stecke?
    »Hier bin ich, ich bin in einer halben Minute da«, entgeg nete Ochajon und parkte das Auto.
    Auf dem Weg in das größte Büro im Hause, in das Büro des Jerusalemer Polizeichefs, nahm er je zwei Stufen auf einmal, und als er im Vorzimmer der Sekretärin begegnete, nahm er ihre Hand, verbeugte sich und gab ihr einen Handkuß, obwohl er das nicht beabsichtigt hatte, worauf er die neue und kühne Farbe ihres Nagellacks lobte. Der Duft war durchdringend wie in einem Frisiersalon. Halb stand er neben sich und beobachtete spöttisch die Szene, die einem James-Bond-Film entnommen schien. Doch trotz aller Ironie, die guten Beziehungen zu sämtlichen Sekretärinnen nahm er sehr ernst. Auch die Frauen von der Zentrale hatten alle eine Schwäche für ihn. Er brauchte nichts zu versprechen oder vorzutäuschen, sondern einfach nur höflich zu sein und sich zu interessieren, den Geschichten zuzuhören, sich ihrer zu erinnern. Seine Beziehung zu ihnen hatte etwas Väterliches, und manchmal hatte er sogar Mitleid, ohne daß er wußte, warum. Er war nicht berechnend, seine Aufmerksamkeit war zu echt, aber selbstverständlich auch hintergründig.
    Jetzt reichte ihm Gila, die Sekretärin des Jerusalemer Polizeichefs, ein großes braunes Kuvert. »Das hat Eli Bachar für Sie hinterlegt.« Dem Umschlag entnahm er den Befund der Gerichtsmedizin und auch die Anmerkungen, die Eli nach dem Gespräch mit der Spurensicherung notiert hatte.
    »Sie haben zwei Minuten. Er telefoniert gerade. Hier, Sie können Platz nehmen, wenn Sie wollen.« Gila nahm eine große braune Akte von dem Stuhl neben ihr.
    In dem Bericht fand Michael alles wie erwartet ein Foto von der Toten im Sessel, eine Nahaufnahme der Wunde, Anmerkungen zum Schußwinkel. Die leere Patronenhülse war nicht im Gebäude gefunden worden. Er blätterte schnell den pathologischen Befund durch, nach dem der Tod wahrscheinlich am Sabbatmorgen eingetreten war, zwischen sieben und neun, man hatte noch Reste des Frühstücks in ihrem Magen gefunden. Michael verabscheute diese Methode zur Bestimmung der Todesstunde. Er glaubte ohnehin nicht, daß sie sehr genau sein konnte. Die Zimmertemperatur wurde in Betracht gezogen und auch die Lage der Toten. Er hatte sich daran gewöhnt, viele medizinische Fachausdrücke zu übergehen, auch die vielen

Weitere Kostenlose Bücher