Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
lieb sten in die Arme genommen hätte. Aber sie drückte nur seine Hand, streichelte dann tröstend darüber.
»Sven, ich weiß, das ist jetzt schwer für dich. Sehr schwer. Aber an dem Tag, als du abgefahren bist und sie deinen Großvater wiederg esehen hat und ihm von deinem Vater und dir erzählt hat, also, als dein Großvater schon wieder weg war zu seinem Vortrag, da ist deine Großmutter getötet worden. Wir wissen noch nicht, von wem.«
Stille. Die Augen waren immer noch entsetzt aufgerissen, unglä ubig. Alle Kraft schien aus ihm herauszufließen. Es war, als würde sein Körper schwer und sein Kopf würde immer tiefer in die Kissen zu sinken. Dann bäumte er sich auf und schrie »Nein! «, bevor er in Tränen ausbrach.
»Bitte, nein, sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Nein! « Er hatte se ine Hand von ihr losgerissen und bedeckte seine Augen.
Lene Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen. Es war einfach gra usam. Sie sah zu Mike, in dessen Gesicht sie das gleiche Mitleiden sah und wieder zurück zu Sven. Sie saß still neben ihm, wartete bis das Schluchzen verebbte. Seine rot geweinten Augen sahen sie hilflos an.
»Aber – wann? Wie? Und wer sollte so etwas tun? «
»Das wissen wir noch nicht«, wiederholte sie. »Sie ist etwa zwischen halb sieben und sieben abends getötet worden. Ich wollte dir das persönlich sagen, deshalb bin ich mit Mr Fuller nach Hinterglemm gefahren. Und ich wollte dich damals fragen, ob sie Feinde hatte. Ob du dir jemanden bei so etwas vorstellen kannst, ich meine jemanden, der so eine Wut hatte auf sie, dass er den Kerzenleuchter genommen und sie damit erschlagen hat.«
Er wimmerte auf. Mike hatte inzwischen seine Hand auf Svens Schulter gelegt. Wenn wir ihn nur trösten kön nten!
Aber es gab keinen Trost. Im Gegenteil, sie hatte ihm auch das s agen müssen, wie sie getötet worden war. Besser so klar, als noch weiter darum herumreden.
»Feinde? Nein. Früher, als sie noch Lehrerin war, da war manc hmal der eine oder andere Schüler wütend auf sie, weil er eine schlechte Note geschrieben hatte oder Ärger mit ihr hatte, weil er keine Hausaufgaben hatte. So Schulkleinkram eben. Aber das war nach ein oder zwei Tagen wieder weg. Sie war eher beliebt bei den Schülern, wissen Sie? «
»Und wie war das mit Steffis Bruder, Kilian? Ich habe gehört, dass er deine Großmutter für sein verpfuschtes Leben, wie er es nennt, verantwortlich macht.«
Ein gequälter Gesichtsausdruck. »Steffi – ja, das ist schlimm für uns beide. Die Familien sind dadurch doch nicht gut aufeinander zu sprechen. Und Steffi und ich …«
»Das weiß ich bereits«, fiel Lene ihm ins Wort. »Übrigens habe ich mit Ste ffis Mutter gesprochen. Sie weiß nun alles und ist überhaupt nicht böse auf euch. Du wirst sehen, sie hilft euch. Es tut ihr alles so leid. Sicher hat sie das inzwischen auch Steffi gesagt.«
Sie ließ offen, was mit alles gemeint war. Egal.
»Sven, du bist damals vor der Abfahrt eures Busses noch einmal weggegangen. Warst du da auf dem Weg nach Hause? Hast du vielleicht irgendj emanden gesehen? Das wäre eine große Hoffnung von mir.«
Aber er schüttelte den Kopf. »Ich habe nur noch etwas am Bahnhof gekauft. Weil doch nur dort die Geschäfte aufhatten. Es war schlie ßlich Sonntag. Nein, ich bin nicht mehr nach Hause.«
Er war bei der Erwähnung des Bahnhofs rot geworden und Lene bohrte lieber nicht nach, was er dort gekauft ha tte. Der Bahnhof war sowieso zu weit weg von seinem Zuhause.
»Und wieso ist Steffi nicht mit dir gegangen? «
»Ach, der ging es an dem Tag nicht gut, das heißt schon seit zwei Tagen. Irgendwie hatte sie einen Magen- Darminfekt. Sie hatte total Angst vor der Busfahrt, dass ihr wieder schlecht würde.«
»Und was ist mit Kilian? Ist er immer noch so sauer auf seine eh emalige Lehrerin? «
»Keine Ahnung. Darüber würde Steffi nicht mit mir sprechen. Weil sie das ungerecht von ihm findet. Aber – wissen Sie schon, dass Kilian verhaftet worden ist? «
»Ja, weiß ich. Aber seit wann weißt du es? «
Sie dachte an Max. Wie hatte er die neuerliche Hiobsmeldung aufgeno mmen?
»Seit dem Montag, also gleich am nächsten Tag. Steffis Mutter hat sie und Max angerufen. Sie war ganz aufgelöst. Und Steffi hat die halbe Nacht g eheult. Max hat auf die Polizei und auf alles geschimpft. Auch auf meine Großmutter. Weil sie das damals der Schulleitung gemeldet hat.«
Bei der Erwähnung seiner Großmutter kam der Schmerz mit so lcher Wucht zurück, dass er
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