Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Irgendetwas Besonderes?«
Sie wies mit dem Kinn in die Richtung, aus der Kalle gekommen war. »Nein, ich habe mit der Befragung auf dich gewartet. Jetzt will ich auch wi ssen, wie der in das Bild passt. Aber dann gehe ich nach Hause, versprochen.«
Die Kriminaltechniker waren jetzt hinten in Svens Zi mmer.
In der Küche am Küchentisch sitzend fanden sie einen Mann um die sechzig. Ausgesprochen gut aussehend. Manchen Männern b ekommt es in die Jahre zu kommen, dachte sie. Vielleicht weil sie dann Zeit haben für sich, oder sie sich nehmen.
»Matthias Schiller«, stellte er sich vor. Er war aufgesta nden.
»Wenn auch seit über vierzig Jahren schon Matthew Shiller, without c. Ich bin gebürtiger Deutscher, bin aber 1964 nach Kanada ausgewandert. «
Lene stellte sich und Mike vor. Alle vier setzten sich um den Küchentisch.
»A Californian detective. How funny hier in Nürnberg.« Aber selbst sein how funny klang tonlos. Eine Redensart, nicht wirklich lustig. Seine hellgrauen Augen wirkten verstört und waren leicht gerötet. Hatte er geweint?
»Vielleicht sollten wir Englisch sprechen, damit Mr Fuller Sie auch versteht. Wenn mir sprachlich etwas unklar ist, kann ich ja nachfr agen. Sind Sie ein Freund von Frau Merthens?«, fiel sie jetzt ins Englische.
Er zögerte, schien nach den richtigen Worten zu suchen. Ein sehr männl iches Gesicht, fand Lene, die ihm Zeit lassen wollte. Eine hohe Stirn mit vollem, noch überwiegend dunklem, mit dem Messer geschnittenem Haar darüber, die Augen lagen etwas tiefer. Ein sensibler, nicht zu schmaler Mund.
»Ein Freund? Das trifft es nicht. Sie war meine Jugendliebe, bevor ich nach Kanada auswanderte. Eine besondere Liebe«, fügte er hinzu. »Ich wollte, dass sie mitkommt, aber es ging nicht.«
»Warum ging es nicht? Wollte sie nicht?«
Ein Schatten lief über sein Gesicht.
»Melanie war verheiratet und hatte ein Kind, fast ein Baby noch.«
Er brach ab, als fiele es ihm schwer daran zu denken.
»Blieben Sie all die Jahre in Kontakt, Melanie Merthens und Sie?«
»Nein, wir schrieben uns ein paar Jahre. Aber dann hörten wir damit auf, als ich geheiratet habe.«
Eine Jessica, dachte Lene und sah den Brief mit der ebenmäßigen kleinen Schrift vor sich.
»Und wann haben Sie wieder Kontakt aufgenommen?«
»Vor vielleicht drei Monaten. Ich habe ihre Adresse per Internet herausgefunden und mich bei ihr gemeldet, weil ich einen Vortrag in Nürnberg halten sollte. Der war heute Abend.«
Auf den Vortrag gehe ich später ein. Jetzt wird es spannend, dac hte Lene.
»Haben Sie sich schon wiedergesehen, ich meine persönlich - noch vor diesem Besuch jetzt, als sie schon ve rstorben war? «
»Das ist es ja, was mich zusätzlich verzweifelt macht. Heute war ich schon hier. Heute nach all den Jahren. Ich war von vier bis etwa sechs hier. Es war …«
Seine Stimme brach ab. Er schluckte. Dann wütend: »Nach all den Jahren sehen wir uns endlich wieder, und dann wird sie am selben Tag ermordet! Ich kann es nicht begreifen. Wer war das? Wer tut so etwas und gerade ihr? «
Lene tat der Mann leid. Wenn er nicht selbst der Mörder war, musste der Schock für ihn groß sein.
»Ich muss Sie trotzdem jetzt fragen. Wie war das Wiedersehen? Waren Sie sich sehr entfremdet? «
»Nein, das war wie ein Wunder. Wir haben uns anges ehen und es war, als ob keine Zeit dazwischen gelegen hätte. Obwohl wir doch beide so viel älter geworden sind. Es ist kaum zu verstehen.«
»Und dann? Haben Sie sich gut verstanden? Oder kam es vielleicht zum Streit?«
Er sah sie in ehrlicher Verblüffung an.
»Streit? Wieso das denn? Wir haben uns noch nie gestritten. Nein, wir h aben einfach geredet.«
Lene beschloss, dass das für heute genug war. Es war schwer g enug für ihn. Morgen würde sie ins Detail gehen. Nur eine Frage blieb noch: »Wieso kamen Sie nach dem Vortrag noch einmal hierher? «
»Melanie wollte zu dem Vortrag kommen. Ich war zu einer Vorb esprechung mit Herrn Sedlmayer, dem Veranstalter verabredet, deshalb ging ich früher als sie. Die Veranstaltung begann um acht in der Tafelhalle. Ich hatte ihr einen Stuhl in der ersten Reihe reserviert und konnte überhaupt nicht begreifen, dass sie nicht da war. Wir hatten noch so viel zu besprechen und wollten nach dem Vortrag Essen gehen. Ich habe mein Konzept kaum mehr einhalten können, so verwirrt war ich. Und als sie dann danach auch nicht da war, habe ich mir ein Taxi genommen und bin hierher gefahren. Ich kann es immer noch nicht
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