Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
begreifen. Kann ich eine Zigarette rauchen? «
Ein Taxi. Natürlich, wie schon am Nachmittag. Und er rauchte. Der Zig arettenmann von Herrn Keller?
»Dabei fällt mir ein, wie sind Sie gestern zur Tafelhalle geko mmen? Das ist doch eine ganz schöne Entfernung.«
»Der Veranstaltungsleiter hat mich vorn an der Ecke abgeholt«, war seine Antwort, wobei seine Mienensprache Irritation ausdrückte.
»Es ist reine Routine für uns, diese Fragen zu stellen. Und wir brauchen sowieso noch seinen Namen und die Adresse mit Telefonnummer.« Sie notierte sich den Namen: Horst Sedlmayer. Eine Adresse in Schweinau.
»Haben Sie sich draußen eine Zigarette angesteckt? «
Er überlegte. »Ja, ich wollte bei ihr nicht rauchen und habe dann unten gleich eine herausgeholt. Ich erinnere mich, dass ich in die Haustür zurücktreten musste, weil der Schnee so dicht fiel. War nicht ganz leicht, bei dem Wetter zu rauchen.« Dabei hatte sein Gesicht plötzlich etwas Lausbubenhaftes, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick.
»Haben Sie jemanden gesehen, als Sie das Haus verließen? Irgendjemanden? Oder auf der Straße, sind Sie da j emandem begegnet?«
Er dachte kurz nach, schüttelte dann den Kopf.
»Nein, da war niemand. Nur dann Mister Sedlmayer.«
Matthew Shiller war in sich zusammengesunken. Er sah plötzlich grau aus. Seine Stimme klang wehmütig, zutiefst traurig.
»Kann ich jetzt gehen? Ich glaube, ich muss jetzt allein sein.«
»Ja, falls Sie noch in Nürnberg bleiben. Und geben Sie mir bitte I hre Hoteladresse, damit ich Sie erreichen kann. Wir müssen uns morgen früh weiter unterhalten. Ich lasse Sie abholen oder komme zu Ihnen. Um zehn Uhr? Und es wäre nett, wenn Sie mir, nur bis morgen, Ihren Pass geben würden. Sie sind mein wichtigster Zeuge. Bitte haben Sie Verständnis.«
Er zögerte, nickte aber dann und reichte ihr den Pass. Er nannte ihr sein Hotel.
Lene las und lächelte.
»Das Polizeipräsidium ist praktischerweise dort in der Nähe. Ich komme dann morgen früh zu Ihnen hinüber. Ach, und ich hätte noch gern Ihre Adre sse in Kanada. Für das Protokoll.«
Er gab ihr eine Visitenkarte. Eine Adresse in Vancouver. In dem Moment öffnete sich die Küchentür und Klaus Me rtens steckte den Kopf herein.
»Wir sind soweit, Lene. Seid ihr fertig? Ich würde die Wohnung gern versiegeln. Und da dieser Mann, Mister … auch hier in der Wohnung war, möc hte ich noch seine Fingerabdrücke nehmen. Dann kann ich morgen gleich damit arbeiten. Ginge das? «
Matthew Shiller zuckte zusammen. Aber dann sah er die Notwe ndigkeit ein. Er nickte. »Okay, dann bitte gleich. «
Er ging mit Mertens in den Flur. Lene folgte langsam mit Mike. Da fiel L ene ein, dass er mit dem Taxi gekommen war.
»Der Taxistand an der Klinik ist nicht mehr besetzt. Einer von uns sollte Mr Shiller noch mitnehmen. Sein Hotel ist nicht weit vom Pol izeipräsidium. Du oder ich? Es liegt auf meinem Heimweg. «
Aber Shiller schüttelte den Kopf und wirkte jetzt erschöpft und z utiefst traurig. Nach der ganzen Hektik seit seiner Ankunft in der Wohnung schien jetzt das Begreifen einzusetzen.
»Ich gehe zu Fuß«, sagte er bestimmt und zugleich müde, während er ve rsuchte die Finger mit einem alkoholgetränkten Lappen wieder sauber zu bekommen.
»Es ist ja nicht so weit. Über den Plärrer und dann am runden Turm die Straße, ich glaube die Ludwigstraße? Langsam kommen so viele Erinneru ngen wieder. « Seine Stimme klang plötzlich wehmütig, zutiefst traurig. »Ich brauche jetzt Luft. Und ich muss nachdenken.«
Lene erklärte ihm noch einen kürzeren Weg, falls er den nehmen wollte. Als sie mit Mike zum Auto ging, sahen sie ihn gerade um die Ecke biegen.
»Es muss schrecklich für ihn sein. Nach all den Jahren sehen sie sich wieder. Ihnen bleibt nur ein kurzes Gespräch von knapp zwei Stunden, die doch wirklich nicht reichen um ein Leben aufzuarbeiten. Und als er wiederkommt, ist sie tot. Wo liegt darin ein Sinn? Manchmal … Ich wollte ihn nicht in diesem Augenblick den Nachmittag detailliert beschreiben lassen. Das wäre ziemlich grausam für ihn gewesen.«
»Ich weiß«, sagte Mike leise und zog sie an sich. Ein wunderbares, lange entwöhntes Gefühl von Geborgenheit. Warum lebe ich allein, fragte sie sich in dem Moment mit innerer Vehemenz. Was soll das? Und warum jetzt eine Liebe auf diese Distanz, eine Liebe ohne jede Chance auf Alltag? Eine Liebe, bei der schon jetzt, so kurz nach seiner Ankunft, der Abschied wartete.
Sie steckte
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