Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
den Schlüssel in das Schloss und mit einem schnellen Blick auf Mike startete sie den Wagen.
Kapitel 3
Montag, 6. Dezember
Als sie noch schlaftrunken auf dem Weg ins Bad war, stolperte sie beinahe über einen Schuh, der im Weg stand. Daraus lugte ein kleines Päckchen mit unverhältnismäßig großer roter Schleife hervor.
Nikolaus! Sie sauste in die Küche und holte ebenfalls ein rechteckiges gr ößeres Päckchen aus der Speisekammer zusammen mit der Tüte Marzipankartoffeln und einer weiteren mit Plätzchen. Sie hatte alles dort hinter Nudel- und Müslipackungen versteckt. Dann holte sie Mikes Schuh, den er neben der Eingangstür deponiert hatte und füllte ihn. Gerade noch rechtzeitig, da hörte sie Aufwachgeräusche aus dem Schlafzimmer – ein lautes Gähnen, dann ein Räuspern. Als sie aus dem Badezimmer zurückkam lächelte er ihr schon entgegen. Wie kann jemand nur so tiefblaue, kornblumenblaue, intensiv blaue Augen haben! Und sie lächelten sie an! Lene warf sich quer über das Bett um ihn zu erreichen und küsste ihn wild. Mike, ihr Zuhause. Herzklopfen und Liebe.
Mit viel Lachen hatten sie dann beim Frühstück ihre Päckchen ausgepackt. Sie hatte von ihm wunderschöne Swarowski-Ohrhänger bekommen, schlicht mit einem gr oßen rechteckigen aquamarinblauen Stein. Sie hatte für ihn ein 1600-Teile Puzzle von einer Stadtansicht von Nürnberg – »damit du in San Francisco immer an mich denkst.«
Und mit einem Schalk in den Augen fügte sie noch hi nzu:
»Für deine viele Freizeit und die langen Nächte.«
Sie wussten beide, unter wie viel Stress er arbeitete.
Dann hatte sie ihm noch ein altes Handy von sich gegeben, mit e iner Prepaidcard. So konnten sie sich immer erreichen. Mike wollte den Urlaubstag erst einmal gemütlich beginnen, die beiden Kater füttern – Perugio und ihr roter Kater Rossini saßen schon erwartungsvoll neben den Näpfen und schienen einverstanden mit der Planung - und sich Zeit nehmen für sich, bis sie später außerhalb des Präsidiums ermitteln würde. Dafür wollten sie sich wieder treffen.
»Wahrscheinlich fahren wir dann nach Bamberg. Ich will auf jeden Fall mit der Tochter sprechen.«
Damit war Lene aus der Tür und auf dem Weg zum Jakobsplatz. Mit einem Blick auf die schneebedeckte Straße, den mit schmaler Spur freigelegten Fußweg - glücklicherweise hatte jemand anderes gekehrt – verzichtete sie auf ihr Auto. Am ersten Schneetag ging erfahrungsgemäß auf der Straße gar nichts mehr. Als ob sich die Autofahrer jedes Jahr aufs Neue erst einmal an rutschige Straßen gewöhnen mussten. Sie überquerte die Äußere Sulzbacher und erwischte gleich einen Bus in die Stadt. Am Bahnhof stieg sie in die U-Bahn und war so in weniger als fünfundzwanzig Minuten am weißen Turm und damit gleich am Polizeipräsidium Mittelfranken.
Als sie die Tür zum Besprechungszimmer öffnete, sah sie in ziemlich m üde Gesichter. Schuldbewusst fiel ihr ein, dass sie diesmal nicht an die kleinen Nikoläuse für die Kollegen gedacht hatte wie in den anderen Jahren. Aber jetzt war ihnen auch allen nicht danach.
Auf der großen weißen Magnettafel hatte Kalle schon die Fotos von der Toten und vom Fundort angeheftet. Er hatte sogar ein Foto von Sven ausfindig gemacht und daneben geklebt. Ein Bild der Toc hter hatte er offenbar noch nicht gefunden. Seltsam. Kalle hatte aus dem Pass der Toten die Geburtsdaten. Sie war sechsundsechzig Jahre alt geworden. Auch das war an der Tafel vermerkt. Sie hatte viel jünger ausgesehen.
Lene erzählte, wie sie gestern das Opfer Melanie Merthens gefunden ha tten. Ruckartig gingen einige fragende Blicke zu Klaus Mertens, der gleich den Kopf schüttelte und nur »Merthens - mit h« murmelte. Nachdem Lene noch die Befragung der Hausmitbewohner geschildert hatte und schließlich die doch sehr ungewöhnliche Geschichte von Matthew Shiller erzählt hatte, übernahm Mertens. In dem Moment klingelte Lenes Handy und Glauber war am Telefon mit dem ersten Überblick.
»Und der Todeszeitpunkt? Können Sie dazu schon etwas Genaueres s agen? – Ja, also zwischen achtzehn Uhr dreißig und neunzehn Uhr, höchstens fünfzehn Minuten früher.«
Sie sah die Augen ihrer Kollegen gespannt auf sich gerichtet, als sie das Telefonat beendet hatte. Sie berichtete, dass die Autopsie nachher um elf sein würde. Und dass, so wie es aussah, ein Schädeltrauma als Todesursache zu verm uten sei.
»Aber das wissen wir erst nach der Obduktion mit Sicherheit. Was hast du
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