Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
was wird jetzt mit ihm? Wo soll er wohnen? Ich weiß doch gar nicht, was …«
Jetzt wird, vollendete Lene in Gedanken ihren Satz. Sie merkte, es war Zeit zu gehen. Diese Frau brauchte Ruhe.
»Bitte, könnten Sie trotz allem morgen irgendwann Ihre Mutter identifizi eren? Sie müssen dafür nach Erlangen in die Rechtsmedizin, aber mein Kollege, der sehr verschwiegen ist, holt Sie ab und bringt Sie auch wieder hierher. Sie müssen niemanden sehen außer dem Pathologen. Ich sage Bescheid. Und ich melde Sie auch in Ihrer Schule als krank. Wegen des Todesfalls. Da hat man dann auch Verständnis, dass Ihre Töchter nicht zur Schule kommen. «
Sie wandte sich zu Frau Wagner, nachdem Rike Walther erleichtert genickt hatte. »Mein Kollege Jürgen Karlowitz ruft Sie morgen früh an und sagt B escheid, wann er kommt. Haben Sie einen Hinterausgang?«
»Ja, zur Halbergasse hinaus. «
»Gut, dann wartet er dort. Wir wollen sicher gehen.«
Bedrückt trat Lene hinaus auf die schneebedeckte Straße. Ganz kurz wurde das kalte Weiß zum Symbol für g efrorene Gefühle. Tief atmete sie die klare Luft ein. Was für Frauenschicksale es gab, dachte sie. Und irgendwie war fast immer der Auslöser die Sehnsucht nach Liebe. Hier war das zwölfjährige Mädchen, das seinen Vater verliert. Und später, als Frau, zwingt sie sich bei ihrer neuen Bezugsperson, ihrem Mann, zu bleiben, egal was er macht. Es gibt doch nicht nur ein erfülltes Leben, wenn man einen Partner hat.
Ach Lene, lass das Psychologisieren, auch wenn du das manchmal inne rlich brauchst um deine Arbeit zu ertragen. So, nun denke lieber an deinen Partner da drüben im Auto. Er friert sicher schon erbärmlich. Und an den in Nürnberg.
Sie rief Kalle an, dass sie Rike Walther gefunden hatte. Ende der Suche.
»Ihr könnt jetzt gleich zum Biertrinken. Ich sehe dich dann morgen. «
Trotz ihrer Gedanken über die Verzichtbarkeit von Bindungen ließ sie sich von Mike mit einem wohlig-warmen Gefühl in die dunkelblaue Winterj ackenumarmung ziehen und hielt ganz still. Dankbar für die warme Welle von Liebe, die sie dabei empfand. In den Fenstern der Straße leuchteten die Weihnachtsdekorationen, jedes Fenster hatte einen eigenen Ausdruck, den eines Individualisten bis zum akkurat ordentlichen, quasi viereckigen Rundumweihnachtsschmuck. Aber eins hatten sie alle gemeinsam, diese Fenster. Auch sie waren ein Ausdruck der Sehnsucht nach Liebe.
»Komm, wir fahren heim«, murmelte sie an seinem Hals.
Kapitel 8
Dienstag, 7. Dezember
Lene griff im Hinausgehen ein wenig schuldbewusst nach dem Schlüssel für ihre Wohnung in Hinterglemm. Was war für sie der wahre Grund für ihre Reise dorthin? War es das Ausbrechen mit Mike in ihre Welt dort? Aber nein, sie wusste, dass die Sorge um Sven, der nach dem Tod von Vater und Mutter nun noch die Ermordung seiner Großmutter verkraften sollte, der eigentliche Grund war. Außerdem brauchte Sven ein bestätigtes Alibi, und das konnte sie nur dort bekommen. Ihre Katzen sahen sie fragend an. Sie hatten sie beobachtet, als sie gepackt hatte. »Ich komme erst morgen wieder. Aber Jonas füttert euch heute Abend.« Ein schnelles Streicheln. Keine Zeit.
Mike wartete bereits vor dem Haus. Als er sie sah, hielt er ihr schwungvoll die Fahrertür ihres Alfa Romeos auf. Die Taschen hatte er schon verstaut. Als sie beim Fahren kurz zu ihm hinübersah und ihre Blicke sich trafen, war sie einfach voller Vorfreude auf ihre Nacht in ihrer Wohnung im romantisch schneebedec kten Tal. Und voller Freude ihm alles zeigen zu können, was ihr so viel an Zuflucht und Regeneration bedeutete.
Es ist wichtig, dass ich Beruf und Privatleben trenne. Und dennoch will ich aus dem privaten Teil das Beste herausziehen, aus jeder Minute, die wir z usammen sind. Denn diese Minuten gibt mir kein Mörder zurück. Auch wenn es mein Job ist, der mich führt. Der meine Schritte lenkt, dachte sie pathetisch. Also auf – vom Schicksal gelenkt nach Hinterglemm.
Am Polizeipräsidium bat sie Mike, am weißen Turm im Café auf sie zu warten. Sie selbst beeilte sich den Jakob splatz zu überqueren. Der Schnee war jetzt schon geräumt und lag in schmuddeligen Wülsten an den Straßenrändern. Wie schade. Nur die Dächer erstrahlten immer noch weiß und glänzend. Es war kalt geblieben.
Oben angekommen, beobachtete sie, wie sich das Besprechung szimmer langsam mit ihren Kollegen füllte, die ihr noch etwas müde zunickten.
Sie hatten den fast gemütlichen Besprechungsraum für ihren
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