Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Alles so widersprüchlich. Wieso rastete ein Junge aus solch einer Umg ebung derart aus?
»Den knöpfen wir uns aber erst am Montag vor. Er läuft uns ganz b estimmt nicht weg, dafür sind Gefängnisse doch da. Und ich mache mit Mike jetzt Wochenende. Punktum. Außer es geschieht noch etwas ganz Dringendes. Übrigens kommt die Klasse heute Abend zurück. Vielleicht müssen wir auch da noch nachhaken. Dieser Unfall von Sven – sehr mysteriös. Und ich weiß immer noch nicht, ob und wie er mit dem Mordfall zusammenhängt. Habt Ihr eine neue Vermutung?«
Die beiden verneinten, und alle drei stürzten sich noch einmal in eine Di skussion über Fakten, Verknüpfungen, Vermutungen – die mit dem nächsten Bier sichtlich kühner wurden. Bis sie schließlich endlich in privaten Gesprächen sanft in den Abend glitten.
Als Kalle sich verabschiedete – »Bloß nicht auf den Christkind lmarkt! «, flehte er – wagte sich Lene mit Mike allein ins Getümmel.
Dicht drängte die Menschenmenge durch die engen Gassen. »Über eine Million Besucher kommen jedes Jahr nur wegen dieser Stimmung hierher«, erklärte Lene die schiebende und dennoch lächelnde Masse. Aber als Mike die Weihnachtsköstlichkeiten sah, die Kleezenbrote, die Lebkuchen und Zwetschgenmandln – »Übersetzt: Pflaume nmännchen … «, erklärte sie, fand aber, dass das althergebrachte Weihnachtsgeschenk für Kinder dadurch an Charme einbüßte - die Rauschgoldengel, die geschnitzten Krippen, das bunte Spielzeug, verfiel auch er in eine Art Weihnachtsrausch. Er griff nach einer der Engelsfiguren, und nachdem er sie geradezu verzückt angestarrt hatte, bezahlte er den stattlichen Preis. Dann hielt er sie begeistert Lene hin. »Sieh nur, er sieht dir so ähnlich!« In diesem Moment überflutete sie die Liebe zu ihm wie eine warme Welle. Sie streckte sich auf die Zehenspitzen um ihn zu küssen. Dabei tropfte der Regen aus seinem Haar in ihr Gesicht und irgendwie machte auch das sie glücklich. In dem Moment stimmte der Posaunenchor vor der Hauptkirche Stille Nacht, heilige Nacht an. Lenes Lieblingslied. Da hätte sie am liebsten losgeheult. O Frau, manchmal bist du entsetzlich sentimental!
Kapitel 25
Samstag, 11.Dezember
Der Regen war wieder in Schnee übergegangen. Das war das erste, was Lene beim Aufwachen bemerkte. Sie sah auf den weißen Vorhang draußen vor ihrem Fenster. Leicht und gleichmäßig fielen die Flocken.
Der Platz neben ihr war leer. Aber dann hörte sie die Dusche ra uschen und war mit einem Satz aus dem Bett. Zwei Arme umschlossen sie, als sie die Duschkabinentür geöffnet hatte und zu ihm unter den Wasserfall trat. Sie schloss die Augen, spürte seinen nackten Körper, gab sich seinen Händen hin. Sie löste sich auf in dem fließenden Wasser, das sich über ihren Kopf ergoss und der fließenden Liebe, die ihren Körper einhüllte. Jede Trennung zwischen ihnen war aufgehoben. Ein Moment völligen Einsseins.
Später machte sie Frühstück, während er sich um das Feuer im Kamin kümmerte. Dann saßen sie in dem milchigen Licht des falle nden Schnees, der auf der anderen Seite der Glasfront des Wintergartens fiel, an ihrem kleinen Frühstückstisch und sahen hinaus in das Treiben der Flocken. Hinter ihnen das Prasseln der Holzscheite.
Die Weihnachtsdeko, die ich noch schnell vor seiner Ankunft zustande g ebracht habe, kommt richtig gemütlich zur Geltung, dachte sie zufrieden. Ihre Hand langte über den Tisch nach seiner. Die Lachfältchen um seine Augen wurden tiefer. »Endlich ist es so, wie ich es mir für deinen Besuch gewünscht habe. Wir haben Zeit für uns. «
Dennoch kamen sie bald wieder auf den Fall zurück. Beide wus sten, dass dieser Augenblick nur eine trügerische Verschnaufpause war. Die Rädchen im Kopf arbeiteten weiter.
»Weißt du, es ist hat auch etwas Gutes, dass ich gerade jetzt hier bin, und wir dadurch wieder gemeinsam knobeln können, wo Zusammenhänge sein kön nten. Wir sind eben auch beruflich ein Team. Sieh es mal so. «
»Deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Also fangen wir mit Kanada an. Da bist du der Profi. Wie funktioniert denn das mit dem illegalen Holz? Und wieso hat Greenpeace das entdeckt? Hat sich Bill immer noch nicht geme ldet? «
»Nein. Verstehe ich auch nicht. Hat wohl vor dem Wochenende niemanden erreicht. Er weiß aber, dass es dri ngend ist.«
Nachdenklich stützte Mike seine beiden Ellenbogen auf und legte dann sein Kinn auf die übereinander liegenden Hände.
»Zu deiner Frage.
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