Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
ihn anders. Unwiderstehlich sozus agen.«
Lene bestätigte ihm dies mit einem breiten Lächeln, wurde dann aber ernst. »Er ist mir genauso unsymp athisch. Aalglatt wie er ist. Meinst du, er hat etwas mit dem Holz zu tun?«
»Wäre eigentlich logisch. Nur – wieso ist er gerade dann wegg efahren, wenn das Holz dort liegt? Dann müsste er einen Komplizen haben.«
»Dafür, dass du so intelligente Ideen hast, quasi als Belohnung, rufe ich jetzt Kalle an, und wir gehen zusammen noch irgendwo hin. Der Arme hat auch g enug gearbeitet. Es ist immerhin Freitag.«
Kalle war gleich am Telefon. »Ich bin gerade hier in der Inne nstadt, in der Nähe der Lorenzkirche. Ich warte im Schutze des Eingangs zu den himmlischen Mächten auf euch.«
Er stand vor dem Portal wie eine winzige Miniatursäule exakt in der Mitte zwischen den beiden gotischen Türmen, die rechts und links neben ihm au fragten, gekrönt von der Rosette im Mittelteil. Kalle liebte solche kleinen Inszenierungen. Fröhlich gingen sie zusammen die Königstraße hinunter, blieben auf der Brücke stehen und blickten ins dunkle, träge fließende Wasser der Regnitz, in dem sich die Weihnachtsbeleuchtung der anliegenden alten Sandsteingebäude spiegelte.
Der Regen fiel immer noch nieselnd, es war ungemütlich und die feuchte Kälte kroch in sie hinein. Schade. Mit Bedauern sah Lene den Schnee schme lzen. Inzwischen lagen nur noch schmutzige Überreste an den Rändern der Straße. Über ihnen die Girlanden mit den festlichen Lichterketten, in der Mitte jeweils der Nürnberger Weihnachtsengel. Symbol für die Tradition der Stadt und Freude der Nürnberger.
Sie einigten sich auf das Bratwursthäusle an der Sebalduskirche. Als sie unten am Hauptmarkt ankamen, vertröstete Lene Mike und versprach ihm nach dem Essen endlich über den Christkindlmarkt zu bummeln.
Denn inzwischen war es fast fünf, und sie hatten seit heute Mo rgen noch nichts gegessen. Die Gaststätte war brechend voll, gemeinsam warteten sie mit der Schlange, bis der Wirt ihnen einen Platz zuwies. Wie in Amerika, dachte Lene und sah sich plötzlich wieder im Uncle Vito’s in San Francisco.
Sie hatten Glück, bekamen einen Platz in einer Nische neben einer chinesischen Reisegruppe, die mit sich selbst beschäftigt war. So konnten sie sogar in englisch-deutschem Sprachgemisch ihre Geda nken austauschen ohne gleich Mithörer zu haben. Zumal es im Bratwursthäusle auch üblich war, dass sich die Nachbarn plötzlich ins Gespräch einmischten und die Unterhaltung sich zwangsläufig ausdehnte. Wäre bei unserer eher unpassend, grinste Lene innerlich bei diesem Gedanken.
Sie übersetzte für Kalle, wenn er etwas nicht so schnell verstanden hatte oder umgekehrt für Mike. Als sie das Bier vor sich hatten, e rzählten sie beide von dem Gespräch mit den drei Kanadiern. Kalle runzelte die Stirn, als sie ihm von den Details der illegalen Holzlieferung berichteten.
»Das kommt mir aber schon seltsam vor, dass das gerade passiert, als Ta nte und Neffe hier sind. Die wären doch als erste in Verdacht geraten. Wobei mir eins auffällt: Wieso ist Robert oder Bob eigentlich mit hierhergekommen? Matthew und Jessica wären sich doch auch zu zweit genug gewesen, und da er offenbar kein leitender Angestellter ist, hätten Sie ihn wegen der Diskussion über den Holzfrevel doch nicht gebraucht. Und wenn man seinen Mann überraschen will, quasi als Geste der Liebe, kommt man doch allein? Oder?«
Lene war versucht sich mit der Hand theatralisch an die Stirn zu schlagen, unterließ es jedoch lieber.
»Wieso habe ich nicht daran gedacht das zu fragen? Du hast ja recht! Mir war das auch schon aufgefallen, dann habe ich vergessen dem nachzugehen. Es scheint, da gibt es noch einiges zu klären. Mir ist vorhin auf dem Weg auch eingefallen, dass wir gar nicht danach gefragt haben, was Jessica beziehungsweise Bob eigentlich in München während der Tatzeit gemacht haben. Denn – ein Mordmotiv kann man bei beiden finden. Und sie sind einfach zu passend zur Tatzeit hier in Süddeutschland gewesen. Bisher haben wir immer nur an Jessica und Eifersucht gedacht. Was, wenn das Motiv in den illegalen Lieferungen liegt? Zum Beispiel – und das jetzt als verwegene Idee – sie bringen Melanie um, direkt nachdem Matthew gegangen ist. Er wird von der etwas depperten deutschen Polizei, die wir glücklicherweise nicht sind, als Täter verhaftet und angeklagt. Damit ist er für lange, lange Zeit aus dem Weg. Dazu könnten sie ihm noch die
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