Denn dein ist die Schuld
stattzugeben, die hier ihr Leben aufs Spiel setzt. Wenn wir ihr Schutz garantieren und eine Zukunftsperspektive bieten könnten, könnten wir besser und mit mehr Ruhe arbeiten. Das wäre für sie ein Anreiz …«
Assa ffa’ a guagliòna! - Ganz schön raffiniert!, dachte Marino bewundernd.
»Ich bin mir sicher, dass es in dieser Hinsicht keine Probleme geben sollte.« Dottor Martinelli hob den Kopf von der Abschrift. »Diese Susie könnte sich in vielerlei Hinsicht als nützlich erweisen. Ich hoffe allerdings, dass Sie sie nicht wieder in der Residence absetzen wie damals die Eminescu.«
»Ruhig, Vince, geh gar nicht drauf ein«, Sandra Leoni konnte ihren Kollegen mit einem Stoß in die Rippen gerade noch davon abbringen, unverzüglich aufzuspringen, um etwas darauf zu erwidern. Dann sagte sie laut: »Wir haben die Frau für den Moment in einer der Geheimunterkünfte für misshandelte Frauen untergebracht. Und haben bereits den Antrag auf Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm gestellt. Offiziell ist sie für ihre Kolleginnen ›geflohen‹. Ich vermute, dass man zur Stunde bereits mit dem Messer zwischen den Zähnen nach ihr sucht. Keiner weiß, dass sie sich an uns gewandt hat. Allerdings, da auch ich ›geflohen‹ bin, quetschen sie jetzt bestimmt schon ihre Informanten aus.«
Sandra Leoni erwähnte selbstverständlich mit keinem Wort, dass ihre Tarnung mehr oder weniger schnell aufgeflogen war. Alles in allem hatte sich ja genau dieses Versagen als Glücksfall erwiesen. Die Ivanova hätte niemals, zumindest nicht so schnell, geredet, wenn sie nicht bemerkt hätte, dass die Leoni eine Polizistin war.
»Und man müsste auch etwas wegen ihres Sohnes unternehmen, der …«
»Um die Frau kümmern wir uns sofort, aber leider gibt es keine bilateralen Abkommen mit Moldawien. Die Behörden kooperieren nicht mit uns. Es wird nicht einfach sein, den Sohn außer Landes zu schaffen. Interpol hat dort keine Verfügungsgewalt, und daher …« Dottor Salvini, der sie unterbrochen hatte, starrte sie leicht verärgert an.
Aber er wurde seinerseits von Tenente Colonnello Sereni unterbrochen: »Wir können es auf dem Amtsweg versuchen, aber bis die Akte auf dem richtigen Schreibtisch landet, könnte das Jahre dauern. Allerdings auf halboffiziellem Wege …«
»Haben Sie etwa eine Idee, Colonnello?« An diesem Morgen musste der Staatsanwalt sich beim Rasieren geschnitten haben, denn er war sehr schlecht gelaunt. Doch Glauco Sereni hatte eine Antwort parat. »Nicht nur eine Idee, sondern gleich einen Mann für diese Aufgabe. Einer meiner Leute hält sich gerade dort in der Gegend auf. Er ist mit einer moldawischen Frau verlobt und begleitet sie manchmal zu ihren Eltern. Vielleicht könnte er das Kind ausfindig machen.«
Gut gekontert!, applaudierte Vincenzo Marino stumm.
»Colonnello, deuten Sie etwa an, dass Sie einen ausländischen Minderjährigen entführen möchten?« Dottor Salvini neigte seinen Kopf leicht zur Seite und hob eine Augenbraue, wobei er sich nicht entscheiden konnte, ob er mehr empört oder überrascht war.
»Tenente Colonnello, Dottor Salvini!«, stellte der Carabinierioffizier richtig. »Nein, es wäre doch keine Entführung, wenn mein Mann bei den Eltern vorstellig werden würde …«
»Bei den Schwiegereltern«, berichtigte Leoni.
»… bei den Schwiegereltern der Ivanova vorstellig werden würde, mit einem Brief der Mutter, in dem sie darum bittet, dass sie ihren Sohn hier in Italien bei sich haben möchte.«
»Gut, jetzt, wo wir die persönlichen Probleme unserer Ivanova gelöst haben, lassen Sie uns darüber nachdenken, warum die Simonellas ihr einziges Kind einer ehemaligen Prostituierten anvertraut haben«, sagte Dottor Salvini hastig. »Gegen Luciano Simonella wird wegen illegaler Mitschnitte von Telefongesprächen ermittelt. Man hat seinen Sohn entführt, und niemand hat sich mit einer Lösegeldforderung gemeldet. Das Kind war einer Frau anvertraut, die in dem Verdacht steht, einer kriminellen Organisation anzugehören. Vorstrafen, Prostitution … Ich glaube nicht, dass all dies ein Zufall ist. Und doch haben weder die Überwachung der Wohnung noch die der Telefone etwas ergeben, was die Eltern in Bezug auf die Entführung belastet. Die Abschriften …«
»Dottor Salvini, ich erlaube mir, Sie daran zu erinnern, dass Abhöraktionen ein Spezialgebiet von Ingegnere Simonella sind«, Ispettore Marino hatte Mühe, sein Lächeln zu unterdrücken: Die Naivität mancher Staatsanwälte amüsierte ihn
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