Denn dein ist die Schuld
Luciano Simonellas Verteidigern gestellten Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft zu, aber er gab gleichzeitig grünes Licht für die Abhörung seines Telefons und der Wohnung und forderte zusätzliche Observierungsmaßnahmen an.
Der Ingegnere wurde wieder auf freien Fuß gesetzt.
Sehr gut, frei und zu unserer Verfügung, dachte Ispettore Capo Marino, der dessen Büro ebenfalls mit Abhörmikrofonen ausstatten ließ und ihm sofort die Ermittler Pogliani und Ragazzoni hinterherschickte.
Diesem Mann hatte man den Sohn aus dem Kinderwagen entführt, aber aus irgendwelchen Gründen gelang es Marino nicht, ihn als Opfer zu sehen. Darüber unterhielt er sich noch am gleichen Tag mit Sandra Leoni. Sie saßen an einem Tischchen in der Bar, er hatte einen Teller Maccheroni mit Sauce vor sich, die vom Aufwärmen in der Mikrowelle so angetrocknet waren, dass sie mehr an einen Mageninhalt erinnerten als an ein Mittagessen. »Was denkst du über ihn, Leo’?«
»Das Gleiche wie du, Vince. Dieser Mann verheimlicht etwas. Wahrscheinlich wird er erpresst. Wenn jemand gleichzeitig im Mittelpunkt zweier Ermittlungen steht, einmal wegen illegaler Mitschnitte von Telefongesprächen und dann, weil sein Sohn entführt wurde, da muss man noch nicht mal besonders viel Grips haben, um zu begreifen, dass zwischen beiden ein Zusammenhang besteht.« Sandra Leoni biss kräftig in ihr warmes Brötchen mit Krabben, dass die Cocktailsauce nach allen Seiten spritzte. »Verdammter Mist, ich sag ihm jedes Mal, er soll nicht so viel Sauce reintun!«, fluchte sie und griff sich eine Handvoll Papierservietten. »Haben wir eigentlich je daran gedacht, seine Frau zu befragen? Jaja, ich weiß schon, sie ist gramgebeugt, aber schließlich versuchen wir, ihren Sohn nach Hause zurückzubringen …«
»Oder das, was von ihm übrig ist. Ich glaube nicht, dass er noch lebt. Babys kann man nicht so verstecken. Sie weinen, dann werden die Nachbarn misstrauisch, und außerdem muss man sich ständig um sie kümmern.«
»Richtig! Wo war ich gerade? Also, ihr Schmerz in Ehren … Aber wenn wir sie mit Samthandschuhen anfassen …«
»Bis jetzt war sie immer mit Psychopharmaka zugedröhnt, wenn wir jemanden zu ihr hingeschickt haben.«
»Wir haben doch auch unsere Ärzte, oder? Psychologen … Sie können feststellen, ob die wirklich krank ist oder unter Psychopharmaka gesetzt wird, damit sie nicht redet.«
»Okay, Kollegin. Seit du wieder unter die anständigen Leute zurückgekehrt bist, wirkst du irgendwie … devoter auf mich«, sagte Marino und erntete dafür eine böse Bemerkung seiner Mitarbeiterin, die jedoch auch darüber lachen musste. Und wenn sie lachte, war sie wirklich nu babà , eine Augenweide, fiel Marino auf. Was sich wohl unter diesem Panzer aus Jeans und Oversize-T-Shirts versteckte? Und was für Unterwäsche trug sie wohl? Marino musste lachen, als er sie sich in Netzstrümpfen, Tanga und BH aus durchbrochener Spitze vorstellte.
»Warum schaust du so blöd und lachst?«
»Pass auf, was du sagst, piccere’ . Ich bin immer noch dein Vorgesetzter.«
»Okay. Aber dann solltest du auch keine solchen Stielaugen machen, wenn wir zusammen sind.«
»A propos zusammen sein … Warum gehen wir an einem der nächsten Abende nicht mal etwas trinken?«, schlug Marino vor.
»Vince, lass es gut sein, in Ordnung?« Sandra Leoni legte den Rest ihres Brötchens auf den Teller und wollte aufstehen, doch Marino hielt sie mit einer Hand auf dem Arm zurück.
»Warum? Gibt es da vielleicht jemand aus deinem Bekanntenkreis, der eifersüchtig werden könnte?«
Die Ispettrice verkrampfte sich.
»Nein, Vince, da gibt es niemanden. Ich will auch nicht ausgehen.« Dann sagte sie leiser: »Und mit dir jetzt schon gar nicht.«
Marino war gekränkt, aber er ließ nicht locker.
»Warum? Na gut, ich bin nicht dein Typ. Aber warum hast du gesagt: ›Und mit dir jetzt schon gar nicht‹?«
»Aus dem gleichen Grund, weswegen du mich gerade jetzt gefragt hast.« Sandra Leoni warf ihm einen Blick zu, der ihre ganze Verärgerung ausdrückte. »Setz mal deinen ganzen Spürsinn ein, Ispettore Capo …«
Schließlich begriff Marino seinen Fauxpas und wurde knallrot.
»Der Straßenstrich!«
Sie ging zur Kasse, und er folgte ihr.
»Also, schön, dass du selbst darauf gekommen bist.«
Eine Viertelstunde später waren sie wieder in seinem Büro und verhielten sich so steif und höflich wie zwei Pinguine.
»Wollen wir die Lijuba Ivanova jetzt gemeinsam
Weitere Kostenlose Bücher