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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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und weich und sorgfältig gepflegt gewesen waren, waren wie vor Trauer in sich zusammengefallen, hingen als schlaffe, matte Strähnen formlos zu beiden Seiten ihres Gesichts herunter und ließen es noch magerer erscheinen.
    Doch das Schlimmste für ihn waren ihre abwesenden Augen, unter denen sich dunkle Schatten eingegraben hatten. Sie blickten verwirrt und schienen sich auf etwas zu konzentrieren, was sich nur in ihrem Inneren abspielte. Das Verschwinden ihres Kindes hatte ihr, verbunden mit einem starken Schuldgefühl, beinahe alle Lebenskraft genommen und nur noch so viel übrig gelassen, dass sie vor sich hin vegetierte und litt.
    Nachdem der Ingegnere ausgiebig ihr Gesicht betrachtet hatte, das sich innerhalb eines Monats so verändert hatte, dass es nicht mehr zu der Person gehören zu schien, die er kannte, half er seiner Frau zärtlich dabei, sich hinzulegen. Er blieb noch einige Minuten schweigend neben ihrem Bett stehen, dann ging er in die Küche, um das Glas Wasser mit ihren Tropfen vorzubereiten, reichte es ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Haare.
    Er drehte sich noch einmal zu Laura um, bevor er den Raum verließ. Dann ging er durch ihre Wohnung und umarmte jeden Gegenstand mit einem langen Blick voller Trauer und Wehmut.
    An diesem Abend kehrte Luciano Simonella nicht mehr nach Hause zurück. Und auch nicht am nächsten Tag. Nachdem sein Schwager zwei Tage später eine Vermisstenanzeige aufgegeben hatte, wurde sein Wagen, ein Porsche Carrera, am Abend des Samstags, des 10. März, an der Provinzstraße 72 knapp hinter Garlate Richtung Norden nach Pescate am Straßenrand gefunden. Ein auffälliger Wagen: Schön, luxuriös, glänzend stand er so weit auf dem Grünstreifen, dass ein Hinterrad halb in der Luft hing.
    Die Carabinieri von Pescate hatten den Wagen gefunden. Sie waren dem Hinweis eines Anwohners gefolgt, kontrollierten daraufhin das Nummernschild und stellten dabei fest, dass sein Besitzer am Tag zuvor als vermisst gemeldet worden war.
    Das Auffinden des Wagens löste Beunruhigung aus, und die Zeitungen spekulierten ganz offen über die Möglichkeit, dass der Ingegnere sich unter der Last seiner privaten Probleme und der Konflikte mit der Justiz selbst das Leben genommen haben könnte. Diese Vermutung schien äußerst glaubhaft: Das Auto, ein wahres Schmuckstück, stand am Ufer eines Sees, der zu jeder Jahreszeit eiskalt und düster war, an einer abschüssigen Stelle, und die Schlüssel steckten noch im Zündschloss. Auf dem Beifahrersitz lag Simonellas blauer Kaschmirmantel akkurat mit dem Futter nach außen zusammengefaltet, darauf sein Mobiltelefon und eine Brieftasche aus Leder mit den Papieren des Eigentümers: Personalausweis, Gesundheitskarte der Region Lombardei, Ausweis vom Lions-Club, Kreditkarten und Wohnungsschlüssel. Nur der Führerschein fehlte.
    Die Taucher suchten eine ganze Woche lang immer wieder, wobei sie ihre Versuche bis zur Mündung von Olginate ausweiteten, wo auf dem Seegrund extrem starke Strömungen verlaufen.
    Nichts zu machen: Der Ingegnere blieb spurlos verschwunden.
     

KAPITEL 81
    Donnerstag, 8. März, 19:30 Uhr
    Die Nachricht erschien in den ersten Abendnachrichten für die Region Lombardei.
    In den knappen Worten der Agenturmeldung innerhalb eines Newsblocks mit Kurznachrichten.
    »Leonardo Coronari, der junge Organist der Gemeinde Santa Maria della Conciliazione von Rozzano, ist aus dem Koma erwacht. Diese steht noch immer im Mittelpunkt eines Skandals, nachdem Pfarrer Don Mario Speroli in einem schockierenden Geständnis zugegeben hat, die sechsjährige Martina Della Seta sexuell missbraucht und vielleicht auch ihren Bruder Ivan ermordet zu haben.
    Vor einigen Tagen war der Musiker in ebenjener Kirche, in der er fast jeden Nachmittag an der monumentalen Orgel übte, von Unbekannten niedergeschlagen worden, die vermutlich in die Kirche eingedrungen waren, um sie auszurauben. Man weiß noch nicht, ob er jemals geistig und körperlich wiederhergestellt sein wird.
    Das Koma, das später künstlich mit Medikamenten verlängert wurde, könnte ihm für immer das Erinnerungsvermögen geraubt haben.
    Don Mario Speroli, der sich momentan in Hausarrest befindet, hat darum gebeten, den jungen Mann besuchen zu dürfen. ›Er ist wie ein Sohn für mich‹, hat er anscheinend den Ermittlern anvertraut, ›ich wäre sehr erleichtert, wenn ich mich davon überzeugen dürfte, dass es ihm wieder besser geht.‹
    Leonardo war keineswegs aus dem Koma erwacht. Obwohl man

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