Denn dein ist die Schuld
ihm erklärt hatte, er sei jetzt ein gefährdeter Zeuge.
»Mehr als notwendig, glauben Sie mir. Sie sind jetzt in großer Gefahr.«
»Aber wirklich …«
»Kein Aber mehr, Don Mario. Meine Männer werden schon darauf achten, dass sie Ihnen nicht zur Last fallen«, hatte Dottor Ardazzone kurz angebunden gemeint. »Allerdings haben sie den Befehl, Sie nicht aus den Augen zu lassen. Sobald wir erst einmal die Pressekonferenz abgehalten haben und die Medien unser im gegenseitigen Einverständnis erstelltes Papier veröffentlichen, werden Sie ein Köder sein. Sind Sie sicher, dass Sie dazu bereit sind? Haben Sie Bedenken?«
»Natürlich bin ich mir sicher.« Seine Hände zitterten, Don Marios Stimme klang jedoch fest und entschieden. »Im Gegenzug hätte ich nur noch eine Frage, oder besser gesagt zwei: Leonardo Coronari …«
»Sein Zustand ist schlecht. Momentan hat man ihn in ein künstliches Koma versetzt. Wir wissen nicht, ob er sich je wieder vollständig erholt. Aber wir halten Sie auf dem Laufenden.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Nein, Vater. Auf gar keinen Fall. Das wäre nicht gut. Offiziell stehen Sie immer noch unter Hausarrest. Und der junge Mann ist ein Zeuge …«
»Aber ich bin auch sein Beichtvater, sein geistiger Beistand. Dieser Junge …«
»Wir werden sehen«, meldete sich Vincenzo Marino. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. »Ich werde mit der Staatsanwältin darüber reden. Falls Dottoressa Scauri zustimmt, werde ich noch heute Abend einen Wagen vorbeischicken. Und was war die zweite Frage, Pater?«
»Meine Katzen.«
»Katzen?« Die beiden Beamten von der SCO konnten ihr mitleidiges Lächeln nicht verbergen. In diesem Fall hatte es alles Mögliche gegeben - drei entführte Kinder, von denen zwei misshandelt worden waren, mehrere Leichen an unterschiedlichen Fundorten -, und dieser Pfarrer konnte an nichts anderes denken als an seine Katzen. Es war schon eine Last mit dem Alter!
»Ja, meine Katzen«, sagte der Pfarrer bestimmt und klang leicht verärgert. »Man hat mir gesagt, dass unser guter Organist sie in meiner Abwesenheit zu sich genommen hatte. Leonardo Coronari, damit er sich um sie kümmern kann, ohne ständig hin- und herfahren zu müssen … Aber nach allem, was ihm jetzt zugestoßen ist … Er liegt doch im Krankenhaus. Bitte, könnten Sie jemanden in seiner Wohnung nachsehen lassen, ob es den Tieren gut geht? Und wenn es möglich wäre, hätte ich sie gern wieder um mich …«
Nun platzten die beiden von der SCO offen heraus. Marino schaute sie unwillig an: ein wenig Respekt, also wirklich!
Dottor Ardazzone warf ihnen einen zornigen Blick zu.
»Sie haben Recht, Don Mario. Ich werde sofort einen Wagen schicken. Sie bekommen Ihre Katzen heute noch zurück. Ihnen allen noch einen schönen Tag.«
KAPITEL 80
Donnerstag, 8. März, 12:00 Uhr
Die Nachricht vom absurden und so sinnlosen Tod eines jungen Carabiniere, der von einer Bande aufgebrachter Nazis totgeprügelt und -getreten worden war, ging ab dem Mittag durch alle Nachrichtensendungen. Obwohl man versucht hatte, es nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, hatte jemand den Presseagenturen die Namen der Verhafteten mit den entsprechenden Fahndungsfotos zugespielt, und nun wurden diese Informationen in allen Fernsehnachrichten nebst den entsprechenden persönlichen Daten und ihrem kriminellen Werdegang gesendet.
Mörder aus Langeweile.
Verkommene Subjekte.
Gewalt als Selbstzweck.
Die Schlagzeilen beflügelten die Fantasie des Publikums, als aus der Carabinieristation, wo die Vernehmungen immer noch liefen, die Nachricht durchsickerte, dass mindestens zwei von diesen Schlägern der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen waren. Genauer gesagt einer Gruppe, auf die die DIGOS seit längerem wegen Verdachts auf Verbindung mit der Mafia ein Auge hatte.
An diesem Morgen aß man im Hause Simonella früh zu Mittag, weil Laura, betäubt von ihrem täglichen Cocktail aus Psychopharmaka und Schlafmitteln, sehr spät aufgestanden war und dann das Frühstück ausgelassen hatte. Sie hätte auch auf Mittagessen und Abendessen verzichtet, wenn ihr Mann sich nicht so bemüht hätte, ihrem abgemagerten Körper wenigstens ein wenig Nahrung zuzuführen.
In der schönen, großzügigen, ganz in Pastell gehaltenen Küche fütterte der Ingegnere seine Frau mit einem Teelöffel, genau wie er es bei Giovanni getan hatte, als dieser von der Flasche auf die ersten Breichen umgestiegen war.
Im Raum war die alles durchdringende Trauer
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